Welcome New Work! – Wie verändern wir den Raum für digitale Zusammenarbeit?

Wie gelingt kollaboratives und vernetztes Arbeiten in Organisationen? Und: Was nutzt Social Intranet? Im Interview geben Mitarbeitende der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Auskunft. Tiefeneinblicke in ihre Toolbox erhaltet ihr zudem im Vortragsvideo.

Ein Kunstobjekt, das einen Handschlag mit Neonleuchten darstellt.
Foto von charlesdeluvio auf Unsplash

In einem kulturBdigital-Workshop gaben uns Mitarbeitende der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor kurzem spannende Einblicke in ihren digitalen Werkzeugkasten. Im Interview sprechen wir nun mit Ralf Stockmann und Felix Ostrowski aus der Abteilung „Informations- und Datenmanagement“ in der Staatsbibliothek zu Berlin.

Sie haben ein Social Intranet in der Staatsbibliothek implementiert, das seit einem Jahr im Einsatz ist. Mit dabei war Johanna Willner aus dem Digitalteam der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie führt in ihrem Team Kolleg:innen an den digitalen Werkzeugkasten und Methoden rund um kollaboratives Arbeiten heran.

Interview

In der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Staatsbibliothek zu Berlin hat der Prozess zur Einführung eines Social Intranets begonnen und Methoden des kollaborativen Arbeitens werden zunehmend etabliert. Zunächst: Was ist Social Intranet und wozu braucht man das? 

Ralf Stockmann: Mit beinahe 800 Kolleg:innen kann man nicht mehr so gut einfach über den Flur kommunizieren – es ist im Kern also eine Notwendigkeit, die sich ab einer gewissen Organisationsgröße automatisch ergibt. Aber auch schon ab ungefähr fünf Menschen ist eine Form des Wissensmanagements notwendig, damit Wissen festgehalten und strukturiert wird. Ein beispielhaftes Szenario: Ein langjähriger Kollege scheidet aus und man sorgt sich um die Bewahrung des Know-hows. In den seltensten Fällen findet ja die Übergabe des alten zum neuen Stelleninhaber persönlich statt. Hier kann ein Social Intranet gute Hilfe leisten, indem man Organisationswissen abbildet und es in einem diskursiven, menschlichen Prozess strukturiert darstellt. Der soziale Faktor war uns wichtig, damit das Wissen nahbarer ist als ein kalter, geschliffener und unpersönlicher Wiki-Text. Wir haben das System ganz bewusst von den Kolleg:innen her gedacht – und eben nicht ausgehend von einer Datei oder einem Dokument. 

Ihr sprecht von Wissensmanagement in der Organisation – was hat es damit auf sich und in welchem Zusammenhang steht es mit kollaborativem Arbeiten?  

Felix Ostrowski: Diejenigen, die einen Hintergrund in der IT haben, wissen, dass es neben etwa der Wikipedia auch Stackoverflow als eines der faszinierendsten Wissensmanagement-Systeme gibt. Das ist im Prinzip ein großes Forum: Durch den einfachen Modus kleiner Dialoge zu spezifischen Themen baut sich Stück für Stück, durch kleine “Informationshäppchen”, ein System für Wissensmanagement auf – und die Forenkultur im Netz ist so alt wie das Netz selbst. Das merkt man, wenn man etwas eher Spezielles googelt und sich dann in Foren aus den Urzeiten des Internets wiederfindet. Als ein „Forum“ könnte man gut auch unsere Lösung in der Staatsbibliothek bezeichnen – ein Forum ist immer deutlich weniger flüchtig als ein Chat, aber auch deutlich dynamischer als große statische Dokumente. Diese Funktionalität wollten wir auch für uns. 

Ganz bewusst habt ihr bei der Entwicklung auf Open Source gesetzt. Warum?

Ralf Stockmann: Ich bin schon lange ein Verfechter von Open-Source-Lösungen im öffentlichen Bereich. Beim Einsatz von Open Source darf man aber nicht naiv sein: Man spart einerseits viel Geld, weil z.B. die Softwares kostenfrei sind, aber das Geld muss an anderer Stelle investiert werden, um den Einsatz der Lösungen oder deren Pflege zu organisieren und auch die Adaption auf den jeweiligen Anwendungsfall zu gewährleisten. Diese Kosten hat man aber auch bei kommerziellen Lösungen, denn auch nachdem man das Produkt eingekauft hat, ist die Anpassung meist nicht inklusive. Tatsächlich spart man also durch Open-Source-Lösungen. Zudem können und möchten wir als nachgelagerte Bundesbehörde unsere internen Daten nicht auf einem Server z.B. in Australien speichern. Außerdem bin ich der Auffassung, dass Bibliotheken ganz hervorragende Spielpartner für Open Source sein sollten oder sogar müssten, weil es beiden darum geht, Wissen so zugänglich wie möglich zu machen. 

In der Forenkultur gibt es normalerweise Beitragende und auf einer anderen Hierarchieebene die Moderator:innen. Habt ihr bei eurem Social Intranet z.B. Abteilungsleitungen in der Moderationsrolle?  

Ralf Stockmann: Wir sind da erstaunlich radikal herangegangen und haben ein nicht existierendes Rechtesystem modelliert. Das heißt: Es gibt einen sehr kleinen Kreis von nur drei Administrator:innen. Die wiederum moderieren weniger, als dass sie “Hausmeistertätigkeiten” durchführen – z.B. eine neue Kategorie anlegen oder Ähnliches. Man begegnet sich also auf Augenhöhe. Discourse, die Software, die wir nutzen, ist auch so ausgelegt: Alle dürfen alles – Webseiten anlegen, Meinungs- oder Blogbeiträge erstellen. Und tatsächlich läuft es seit einem Jahr ohne Probleme auf diese Weise. Schon länger betreiben wir unseren Stabi-Blog ganz ähnlich: Über 120 Mitarbeiter:innen verfassen hier Beiträge, ohne dass etwa die Öffentlichkeitsarbeit Dinge freigeben müsste. Das Motto ist “Freiheit aushalten”.

Was macht so ein Social Intranet mit der Betriebskultur? Ist die Nutzung verpflichtend?

Felix Ostrowski: Im ersten Jahr ist das Intranet zu einem Tool geworden, das neben andere getreten ist. Es ist ein Raum für Austausch geworden, aber strahlt noch nicht in die gesamte Zusammenarbeit ab. Dafür ist es noch nicht etabliert genug. 

Johanna Willner: Bei Fragen um Betriebskultur und Mindset in einer Organisation kann ein Tool schon dabei helfen, auch mal in eine andere Richtung zu denken und hier unterstützend zu wirken. Aber es muss sich immer noch die Haltung der Menschen ändern. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Nutzung des Social Intranets tatsächlich verpflichtend ist. Denn dadurch, dass hier zentrale interne Informationen bereit gestellt werden, wird es automatisch immer wichtiger. 

Felix Ostrowski: In Sachen “verpflichtend” könnte man ergänzen, dass in einer so großen Institution die Absprachen mit Gremien, z.B. mit Personalräten, eine große Rolle spielen. Die freuen sich nicht nur, wenn sie hören, dass ein Social Intranet verpflichtenden Charakter bekommen soll. Aus diesem Grund haben wir unser Social Intranet auch ein bisschen weniger “social” gestaltet, indem wir beispielsweise den Like-Button anonymisiert haben. Keiner kann erkennen, wer auf “Gefällt mir” geklickt hat. Und das finde ich naturgemäß schade, weil genau das für mich, für uns interessant wäre. Aber das ist ein notwendiges Zugeständnis in der Sache für mehr Akzeptanz im Kollegium und in den Gremien. 

Ralf Stockmann: Wir haben uns nach dem ersten Jahr mit einem recht umfangreichen Fragebogen auch im Kollegium umgehört. Dabei kam heraus, dass ca. 15% eines harten Kerns recht deutlich gegen das Tool sind. Das Internet sei ein “Zeitfresser”, in den Arbeitszeit investiert werden muss und zudem will man nur sehen, was “für einen relevant ist” und ansonsten nicht gestört werden. Tatsächlich hat Discourse, das wir als Tool einsetzen, sehr gute Möglichkeiten die Darstellung der eigenen Timeline, beispielsweise mit Filtern, zu personalisieren. Aber das ist etwas, das man auch tun muss. Andere Kritiker:innen bringen vor, dass, was an Kommunikation und an Inhalten entstehe, eher “trivial” sei. Ein Einwand, den ich persönlich recht wenig nachvollziehen kann, denn auch ein einfaches, für alle sichtbares “Dankeschön” an jemanden ist wertvoll. 

Wie stellt ihr die Einführung in der Organisation sicher? Wie gestaltet ihr das Onboarding? 

Ralf Stockmann: Tatsächlich verbringen wir mit dieser Frage sehr viel Zeit. Wir verfahren letztlich zweigleisig: Es gibt eine sehr umfangreiche schriftliche Dokumentation zur Benutzung des Intranets. Zudem haben wir ein Schulungskonzept. Es gibt eine Einstiegsschulung quer durch das System von einer halben Stunde. Dann haben wir User:innen-Cafés, wo wir uns jeweils einzelnen Themenfeldern widmen. Zuletzt schulen wir recht stark “von oben”, d.h. in der Hierarchie mit den Abteilungsleitenden. So können wir erreichen, dass die Nutzung des Intranets durch Vorgesetzte vorgelebt wird. 

Welche Top-Ratschläge habt ihr für andere, die planen, ein Social Intranet in ihrer Organisation zu etablieren?  

Felix Ostrowski: Ein wichtiger Ratschlag von mir wäre: erklären! Und zwar immer wieder, warum es nicht nur um ein weiteres Tool geht, oder um Effizienzsteigerung, sondern eben tatsächlich um die Bildung einer Netzwerkstruktur zum Nutzen aller.  

Johanna Willner: Bei der Etablierung hilft die Verknüpfung mit ähnlichen Änderungsprozessen natürlich. Themenbezogenes Arbeiten und ein gewisser Open-Gedanke in der Umsetzung z.B. sind durch den entsprechend angelegten Aktenplan auch bei der Einführung der E-Akte relevant. Und eine klare Vorstellung von Mehrwerten und Zielen zu haben und diese zu kommunizieren, hilft bei der Einführung von egal was sicherlich immer. 

Was wäre eure Vision vom kollaborativen Arbeiten in der Zukunft?

Felix Ostrowski: Ein Zusammenarbeiten in Sachzusammenhängen und nicht auf Hierarchieebenen und kein Kommunizieren mehr in Hierarchie-Ketten, sondern auf Projektebene. Eigentlich das, was man gemeinhin “agil” nennt. 

Johanna Willner: Das sehe ich auch so. Und: nicht in Grenzen denken, sondern nach Möglichkeiten Ausschau halten. Und das tun wir ja glücklicherweise schon sehr oft. 

Ralf Stockmann: Themen könnten viel mehr ineinandergreifen und Vorgänge nicht so künstlich aufgetrennt werden. Vom Sitzungsproktoll zur Verknüpfung relevanter Dokumente bis hin zum Outreach, vielleicht in einem Blogbeitrag. Das ist für mich eine fluide Schicht von Information und Kommunikation, die natürlich immer wieder den Charakter ändert, aber immer in ähnlichen Wellen verläuft. Das auf technischer Ebene zu unterstützen, Leute in die Lage zu bringen, diese Techniken zu beherrschen und souverän anzuwenden, wäre toll. Bestenfalls würde sich all das ganz normal anfühlen! 

Vorträge zum Nachschauen

Social Intranet in der Staatsbibliothek – Ziele und technische Umsetzung

Vortrag: Ralf Stockmann & Felix Ostrowski

Kollaboratives Arbeiten – Tools und Onboarding-Strategien bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Vortrag: Johanna Willner & Antje Brost