Gemeinsame digitale Infrastruktur nutzen und dabei trotzdem den spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten der einzelnen Kulturakteure gerecht werden – wie dieser Spagat gelingen kann, darum ging es in der Diskussion mit Dr. Klaus Lederer (Kultursenator), Dr. Esther Cleven (Bauhaus-Archiv), Tina Pfurr (Ballhaus Ost) und Dr. Benjamin Seibel (Technologiestiftung Berlin / CityLAB).
Die Moderatorin Maj-Britt Jungjohann eröffnete die Runde mit einer Bestandsaufnahme bei den zwei eingeladenen Kultureinrichtungen – dem Bauhaus-Archiv und dem Ballhaus Ost. Die beiden Häuser arbeiten an einer Digitalstrategie, bringen aber ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit.
Digitale Infrastruktur: Ad hoc-Lösungen reichen nicht
Dadurch, dass das Berliner Bauhaus-Archiv derzeit für Umbauarbeiten geschlossen sei, könne sich das Team ganz auf die Digitalstrategie konzentrieren, berichtete Dr. Esther Cleven. Eine privilegierte Situation, in der auch zukunftsweisende Lösungen ausprobiert werden konnten. Die Fragestellung „Was ist ein digitales Museum?“ – steht im Mittelpunkt der Neuausrichtung. Dabei berühren Entscheidungen zu online Formaten und der Nachnutzbarkeit von Daten zwangsläufig Fragen der Arbeitsorganisation und Infrastruktur.
Digitale Projekte und Prozesse müssen für kleine und mittelgroße Kulturinstitute, die sowieso schon knapp kalkulieren, langfristig bezahlbar sein, doch unabhängiger Rat zu den langfristigen Effekten ist schwer zu finden. Was lässt sich auch noch stemmen, wenn der Regelbetrieb im Museum wieder anläuft?
Analoge Orte für Digitales
Wenig Zeit für grundsätzliche Gedanken zur Digitalisierung bleibt Tina Pfurr, der künstlerischen Leiterin des Ballhauses Ost. Viele Kräfte sind für den Erhalt und die Sicherung der analogen Spielstätte gebunden. Außerdem muss durch die Corona-Einschränkungen andauernd umgeplant werden. „Wir sind im Gespräch mit Künstler:innen wie man Räume auch digital nutzen kann“, berichtete Tina Pfurr. Es sei aber schwer, ohne Vorkenntnisse digitale Theaterangebote anzubieten, die über ein klassisches Streaming hinausgehen. Die Theatermacherin wünscht sich deshalb als unterstützendes Angebot einen analogen Raum, wo sich Künstler:innen und Digitalexpert:innen noch stärker vernetzen können.
Genau solch eine Struktur gibt es für den Bereich der Stadtentwicklung und Zivilgesellschaft mit dem CityLAB Berlin. Benjamin Seibel, der Leiter des CityLAB, sieht durchaus Parallelen zwischen Fragen, die zum Beispiel gemeinnützige Einrichtungen und Kulturbetriebe bewegen:
„Ohne Wissen und Infrastruktur landet man schnell – entgegen seiner politischen Ideale – bei kommerziellen Anbietern, die vermeintlich kostengünstig sind, sich in Wirklichkeit aber über unsere Daten finanzieren.“ Trotz des Einschnitts den Corona auch in der LAB-Arbeit mit sich bringt äußerte sich Benjamin Seibel überzeugt davon, dass es genau solche Orte braucht: „Das Modell eines analogen Orts für Digitales funktioniert.“
Kulturdaten vernetzen
Ein Schritt in Richtung Datensouveränität wäre die von Nicolas Zimmer (Technologiestiftung Berlin) und Klaus Lederer bereits in Vorträgen angesprochene Datenplattform. „Wie können Künstler:innen davon profitieren?“, fragte Moderatorin Maj-Britt Jungjohann den Kultursenator.
In seiner Antwort zog Klaus Lederer eine Linie von den „Silolösungen“, die er bei Amtsantritt an vielen Kultureinrichtungen vorgefunden habe bis zu kulturBdigital, das genau den von Tina Pfurr geforderten Austausch zwischen Kulturakteur:innen und Digital-Expert:innen anregt: „Die Kulturverwaltung kann Infrastruktur bereitstellen und erhalten, aber letztlich sind wir nur Ermöglicher dieser Entwicklung. Die Digitalfähigkeit und -affinität der Kulturszene muss langfristig gestärkt werden, damit das keine Beglückungsveranstaltung von oben wird.“
Auf den mehrfach im Chatverlauf geäußerten Wunsch nach einer Konkretisierung der Pläne für die Kulturdatenplattform berichtete Kultursenator Klaus Lederer von verständlichen Widerständen in den Kulturinstitutionen. Eine neue Plattform bringe zwingend erstmal einen Mehraufwand. Langfristig profitierten die Häuser aber, weil der administrative Aufwand durch offene Schnittstellen z.B. für die Befüllung von Veranstaltungskalendern sinkt.
Ob dieses Plattform-Potential ausgeschöpft wird, liege letztlich in der Hand der Berliner Kulturschaffenden, sagte der Kultursenator. Je mehr Einrichtungen sich an diesem Ansatz für eine gemeinsame digitale Infrastruktur beteiligen, desto besser – und zwar nicht nur mit der Zulieferung von Daten, sondern auch mit Gestaltungsvorschlägen: „Wir sind da extrem belehrbar.“ Der Vorteil einer offenen Plattform, ergänzte Klaus Lederer auf Nachfrage der Moderatorin, sei, dass jederzeit neue Akteur:innen und Anwendungen dazukommen können wie z.B. Archive und Sammlungen.
Bei aller Aufbruchsstimmung musste der Kultursenator die Erwartung am Ende der Diskussion doch dämpfen. Auf die Frage der Moderatorin nach der weiteren Förderung der von der Senatsverwaltung im Förderprogramm „Digitale Entwicklung im Kulturbereich“ ausgewählten Projekte wies er auf die aktuellen Belastungen des Haushalts durch die Corona-Krise hin: „Das wird eine bittere Frage, aber ich werde mich dafür einsetzen, dass wir möglichst viel auf heutigem Niveau halten können.“
Text: Franziska Walser