Suche
Close this search box.

Welche Rolle spielt Kultur bei der Digitalisierung der Stadt?

Kommt Kultur bei Diskussionen rund um die „Smart City“ zu kurz? Darüber debattierten Vertreter*innen des Kultursektors mit Senator Klaus Lederer auf der 2. Konferenz zur digitalen Entwicklung im Kulturbereich 2019.

Podiumsdiskussion auf der 2. kulturBdigital Konferenz
v.l.n.r.: Moderatorin Franziska Walser, Judith Galka, Klaus Lederer, Janina Benduski, Nicolas Zimmer

In der direkt an die Vorträge anschließende Diskussionsrunde nehmen Janina Benduski (Leiterin des Performing Arts Programms des LAFT Berlin), Judith Galka (Referentin des Vorstands der Zentral- und Landesbibliothek), Senator für Kultur und Europa Dr. Klaus Lederer und Nicolas Zimmer (Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin) teil.

Es geht um die Frage, welche Rolle Kultur bei der Digitalisierung der Stadt spielt. Moderiert wird die Runde von RBB-Moderatorin Franziska Walser, die der Diskussion die Frage voranstellt, ob es in der Debatte rund um „smart cities“ überhaupt um „Kultur“ geht, wo es doch oftmals eher um neue Mobilitäts- und Verwaltungskonzepte geht – also um Online-Buchungen beim Bürgeramt oder „intelligente“ Parkplätze – anstatt um kulturelle Angebote.

Video: Digitalagentur MOVACT

Kultur – Mehr als nur ein Wirtschaftsfaktor in der Smart City?

Nicolas Zimmer hält das für einen wichtigen Punkt und fügt hinzu, dass „die Kultur derzeit in der Diskussion um die Smart City eher die Rolle eines Wirtschaftsfaktors einnimmt“. Es gehe grundsätzlich meist darum, inwiefern kulturelle Angebote zum Haushalt einer Stadt beitragen könnten, nicht aber darum, was die Kultur für die Stadt der Zukunft leisten könne, wenn man ihre „Leistung“ in Hinblick auf weichere Faktoren definiere.

Klaus Lederer stimmt dieser Analyse in Teilen zu, gibt aber auch zu bedenken, dass an diesen Prozessen nicht nur die Senatskanzlei beteiligt ist, sondern eben auch die Wirtschaftsverwaltung, und die Strategien der verschiedenen Akteure deshalb oftmals zusammenhangslos nebeneinander stehen. Sein Ansatz sei es viel mehr, „Kompetenzen und Fähigkeiten von unten zu entwickeln“, weil auch in der Politik nicht immer ausreichend Kompetenzen vorhanden seien, um Veränderungsprozesse erfolgreich umzusetzen. In diesem Sinne sei die Digitalstrategie des Landes ein sehr breiter Prozess, an dem sich verschiedenste Akteure beteiligen müssten.

Janina Benduski hält die Entwicklungen, die gerade im Rahmen der Digitalisierungsstrategie und des Innovationsfonds zur digitalen Entwicklung im Kulturbereich stattfinden, zwar für richtig, findet jedoch auch, dass in den vergangenen Jahren viel Zeit verschwendet worden ist: „Wenn ein Museumsverband jetzt darüber nachdenkt, das Museum als demokratischen Raum zu entwickeln, dann sage ich ‚Heureka‘, aber das hätte einem eben auch etwas früher einfallen können!“ Dabei gehe es aber eben nicht immer nur um die richtigen Ideen – von denen gebe es ja durchaus genug –, sondern vor allem um die nötigen Mittel, um diese Ideen auch umsetzen zu können.

Digitale Stadt, digitale Kultur – ja, aber nicht ohne kritische Reflektion

Für Klaus Lederer gilt in all diesen Diskussionen – sei es bei der Debatte um Smart Cities oder bei der Debatte um die Digitalisierung des Kulturbereichs –, dass sich alle Beteiligten vor Augen rufen, „was wir eigentlich mit all dem wollen“. Jeder einzelne müsse sich also Fragen, warum, also zu welchem Zweck, die Stadt oder der Kulturbereich überhaupt digital ausgebaut werden solle. Denn viel zu oft werde ja davon ausgegangen, dass der technische Fortschritt an sich eine ausnahmslos positive Entwicklung sei.

Nicolas Zimmer sieht das ähnlich und unterscheidet zwischen den Strategien, die in den vergangenen Jahren etwa in Barcelona angewendet wurden und jenen Prozessen, die derzeit in den USA stattfinden. Auf der einen Seite habe man erkannt, dass es bei einer Smart City vorrangig um die Frage gehe „in welcher Stadt wir leben und wie wir zusammenleben wollen“. Auf der anderen Seite stünde die Konzernlogik des Silicon Valley, bei der der Mensch außen vor bleibe und es primär um die „Vereinfachung der Dinge“ gehe.

Janina Benduski hält es gerade in diesem Zusammenhang für zentral, die Digitalisierung nicht als etwas zu verstehen, „was uns als Gesellschaft einfach so zustößt“. Vielmehr gehe es darum die „Digitalität“ als Kulturtechnik anzuerkennen – und in der Frage, ob uns dies in Zukunft wirklich gelingen könnte, schwanke sie bisher „zwischen Depression und vorsichtigem Optimismus“. Denn es könne ja nicht das Ziel sein, von oben verschriebene Rezepte anzuwenden, um die Digitalisierung zu „schaffen“ oder „zu bewältigen“. Vielmehr müsse der Kultursektor sich organisieren und solidarisieren, um wichtige Debatten rund um die Digitalität voranzubringen.

Vor diesem Hintergrund sieht Judith Galka den Kunst- und Kulturbereich vor allem gefordert, der Zivilgesellschaft zu mehr digitaler Teilhabe zu verhelfen und ihnen so in dieser Debatte eine Stimme zu verschaffen. Denn es sei ja gleichzeitig auch so, dass etwa in Deutschland „20 Prozent der Menschen kaum Zugang zu digitalen Welten haben“. Diese Teilhabelücken müssten mitbedacht werden, wenn es darum gehe, möglichst viele Leute in Veränderungsprozesse einzubinden. Diese „Grundalphabetisierung“ im digitalen Sinne könnte vor allem von den Bibliotheken geleistet werden: „Smarte Städte zeichnen sich eben auch durch ihr soziales Innovationspotenzial aus – und dafür braucht es Räume!“

Text: Kai Schnier

mehr erfahren