In Zeiten, in denen Datenströme und Informationslandschaften immer größer, komplexer und unverständlicher werden, ist es laut Nicolas Zimmer (Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung) der Kulturbereich, der eine ordnende Rolle einnehmen kann. Der Vortrag bei der 2. Konferenz zur digitalen Entwicklung des Kulturbereichs (28.10.2019) zum Nachschauen:
Die Welt wird digital – dass sich diese Entwicklung kaum aufhalten lässt, ist für Nicolas Zimmer klar. Dass der Kulturbereich in Zukunft immer schneller von dieser Entwicklung erfasst werden wird, hält der Vorstandsvorsitzende der Technologiestiftung auch für selbstverständlich. Doch was ist durch diese Zustandsbeschreibungen überhaupt gewonnen? Sollten wir nicht eher untersuchen, welche Anforderungen die Digitalisierung an den Kulturbereich stellt – und wie dieser die Digitalisierungsprozesse proaktiv mitgestalten kann? Was ist die Rolle von Kunst und Kultur im digitalen Zeitalter?
Diese kritischen Fragen zum Status Quo der Diskussion rund um die digitale Entwicklung des Kulturbereichs stehen am Anfang des Lightning Talks von Nicolas Zimmer. Und führen auch gleich zu seiner ersten These: „Die Aufgabe von Kunst und Kultur ist es, die zunehmend abstrakte Welt zu erklären.“ Denn in Zeiten, in denen Datenströme und Informationslandschaften immer größer, komplexer und unverständlicher werden, ist es laut Zimmer gerade der Kulturbereich, der eine ordnende Rolle einnehmen kann. Dort wo die einen auf die totale Informations- und Datenfreiheit pochen und die anderen Daten kontrollieren und Geld mit ihnen verdienen wollen, da ist es am Kunst- und Kultursektor, Kontext zu schaffen und aus all den Datenmassen Sinn und Bedeutung abzuleiten. Als Beispiel für einen gelungenen Schritt in diese Richtung nennt Zimmer das Berliner CityLAB, ein Experimentierlabor und Vernetzungsort für Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, in dem ein innovativer Umgang mit digitalen Technologien und Daten gefördert werden soll – etwa dann, wenn es darum geht, aus öffentlich zugänglichen Datensätzen eine visuelle Darstellung der städtischen Feinstaubbelastung herzustellen.
Für Zimmer ist es diese Übersetzungsleistung von Daten in die Praxis – also die Frage nach der Anwendbarkeit und dem Effekt –, die für Kultureinrichtungen und Innovationsstätten im Vordergrund stehen sollte: „Die Frage muss immer sein: Was können wir mit den vielen Daten, die wir bereits haben, für Aha-Momente bei den Menschen auslösen?“ Anstatt allein mit Begriffen wie „smart cities“, „smart homes“ und „smart buildings“ zu hantieren, muss den Menschen laut Zimmer aufgezeigt werden, wie ihre Welt – sei es in der Politik, der Verwaltung, der Umwelt oder der Wirtschaft – durch digitale Hilfsmittel wirklich „lebenswerter“ und nicht lediglich nur „einfacher“ gemacht werden kann.
Gleichzeitig ist es für Zimmer auch am Kultursektor selbst, sich durch die Sammlung von Daten und die digitale Quantifizierung der eigenen Leistungen (politisch) relevant zu machen, denn: „Wer heute keine Daten zur Verfügung stellt, der wird unsichtbar!“ Um im Wettstreit um öffentliche Mittel sicherzustellen, dass am Ende nicht die Datenriesen an die großen Geldtöpfe kommen, brauche es deshalb kreative Lösungsansätze und eine gewisse Selbstermächtigung des Kultursektors.
Text: Kai Schnier
mehr erfahren
Alle Vorträge der 2. Konferenz zur digitalen Entwicklung des Kulturbereichs