Jan Philip Steimel (machina eX) diskutiert auf der kulturBdigital-Konferenz 2018, warum die Freie Szene vielen Theatern in der Digitalisierung voraus ist.
Jan Philip Steimel ist „eXperte für Programmierung und (B)lötzinn“ beim Medientheaterkollektiv machina eX. Die Produktionen von machina eX sind spielbare Theaterstücke und zugleich begehbare Computerstücke. Die Szenarien sind unterschiedlich, mal geht es um Cyberkrieg, mal um Migration, mal um Game-Design selbst, wie in der aktuellen Produktion „Disaster“. Gemeinsam ist allen Produktionen, dass die Zuschauer*innen gemeinsam mit den Schauspieler*innen auf der Bühne stehen und kooperieren müssen, um Aufgaben zu lösen und die Handlung voranzutreiben. Die Handlung selbst ist multilinear, das heißt, sie kann an Schnittstellen verschiedene Richtungen einschlagen.
Die Technik für die Umsetzung ihrer Ideen entwickelt das Computerspiel-Theater-Kollektiv selbst, wobei die Technik eher im Hintergrund stehen soll. Hinter einem Safe oder einem Telefon kann sich ein komplizierter, selbst entwickelter Steuerungsmechanismus verstecken. Durch diese haptische Erfahrbarkeit sinkt die Hemmschwelle des Publikums, sich aktiv einzubringen und Dinge auszuprobieren. Ein altmodisches Wahlscheibentelefon in einem der Stücke lässt zum Beispiel Menschen der älteren Generation zu Expert*innen werden, die sonst eher am Rand stehen.
machina eX-Produktionen sind sehr gefragt bei Theaterhäusern, weil es dort eine Art „Digitalisierungspanik“ gibt. Es gibt den spürbaren Bedarf an Theatern, die Digitalisierung zu thematisieren und andere interaktive Formate zu entwickeln, gleichzeitig fällt es den großen Institutionen schwer, das aus sich heraus zu entwickeln. machina eX wird da manchmal als Erlösungsversprechen gesehen, damit ein Haus „digital aussieht“. Aber wenn wir weiterziehen, hat sich in Wirklichkeit nicht so viel verändert.
Eine wirkliche künstlerische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung findet bisher fast nur in der Freien Szene statt und manchmal im Rahmen von Festivals, die einen Freiraum im der Spielplan-Routine bilden. Das hat auch mit den Abläufen an Theatern zu tun: Man arbeitet auf eine Premiere hin und ist mit sich selbst beschäftigt. Dadurch kommt der Austausch – auch über Ideen und Unfertiges oft zu kurz.