Wozu kann man neue Technologien des Internet of Things (IoT) im Kulturbereich einsetzen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Workshops mit Dr. Christian Hammel (Technologiestiftung Berlin).
Welche Anwendungen auf IoT-Basis wünschen sich Berliner Kultureinrichtungen? Und ist das Internet of Things überhaupt ein Thema für Kultureinrichtungen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung im Rahmen des kulturBdigital Labs mit Dr. Christian Hammel, Bereichsleiter Innovation Policy & Research bei der Technologiestiftung und Vertreter*innen verschiedener Berliner Kultureinrichtungen.
Internet of Things (IoT) kurz erklärt
Im Internet of Things haben Gegenstände eine eindeutig identifizierbare individuelle digitale Identität (Adresse). Das kann ein Barcode sein, RFID, MAC oder IP-Adresse. So kann man sie mit Lesegeräten oder einem Kommunikationsmodul identifizieren und mit ihnen kommunizieren. Ein Beispiel im Veranstaltungsbereich sind Eintrittskarten für die Fußballweltmeisterschaft, die die FIFA seit 15 Jahren nutzt. „Das RFID-Ticket ist eines der Grundbeispiele vom Internet of Things“, sagt Christian Hammel. Die Karten sind personalisiert, die Echtheit der Tickets kann überprüft werden und Mehrwertdienste wie Parkplatzreservierung, Staudetektion oder Bezahlfunktion können angeboten werden. Möglich macht dies ein kostengünstiger RFID-Chip im Ticket, der über ein Lesegerät am Eingang, Kiosk u.a. ausgelesen und auf einer Datenplattform bearbeitet werden kann. Selbst Mausefallen sind inzwischen smart, erklärt Dr. Hammel, mit einem LoRaWAN-Sender können sie signalisieren, ob eine Maus in der IoT-Mausefalle sitzt oder nicht. Das spart Zeit und Geld für Inspektionen in Kellern oder Getreidespeichern.
Anwendungsszenarien für das IoT im Kulturbereich
Und wie kann Internet of Things – Technik in Kultureinrichtungen genutzt werden? Entscheidend sei, betont Hammel, „wer das machen will, sollte nicht mit der Technik anfangen sondern herausfinden, wofür er das benutzen will“.
Dennoch sei die technische Seite nicht zu vernachlässigen. Bei Video sind breitbandige Übertragungen nötig, für einfache Steuerbefehle reicht ein schmalbandiges Netz. Wichtig sind auch Fragen nach der Übertragungsgeschwindigkeit – echtzeitnah (Roboter) oder zeitlich unkritisch, d.h. weniger schnell wie bei der Steuerung von Raumtemperaturen – oder nach der Stromversorgung (Netz oder Batterie) und der Reichweite. Inzwischen können mit immer billigeren Mikroprozessoren Gegenstände jetzt auch Daten wie Standort, Wetter, Personen im Raum, Tür offen u.a. übermitteln und Steuerbefehle wie Licht an!, Lüftung aus! etc. entgegennehmen. Durch neue Übertragungstechniken funktioniert das auch über große Entfernungen und ohne teure Verkabelung. „Wir können davon ausgehen, dass das künftig immer mehr Geräte können, weil Kommunikationsschnittstellen fast überhaupt nichts mehr kosten“, so Christian Hammel.
Überlegungen im Vorfeld
Wie könnte also mit einem IoT-Projekt begonnen werden? Zunächst müssen die grundlegenden Fragen geklärt werden: Was soll das können? Wo wollen wir das einsetzen? Und verarbeiten wir die Daten selbst?
Danach muss die grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, ob das Projekt mit eigenen Mitteln und Personen oder als Bildungsauftrag gemeinsam mit dem Publikum realisiert werden kann. Für Selberbauer bietet die Technologiestiftung eine Hacking-Box an. „Da sind 15 Devices drin, mit denen kann man rumexperimentieren“, wirbt Hammel für die Tool-Box. Alternativ könnte es für das Projekt auch einen Entwicklungs- oder Betreiberauftrag geben. Stellt sich die Frage: „Wir wissen auch nicht, wie es geht, würden es gerne einmal ausprobieren“, empfiehlt Christian Hammel „die Nerd-Community einzuladen oder es als Herausforderung für einen Hackathon (lt. Wikipedia eine Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“, ist eine kollaborative Soft- und Hardwareentwicklungsveranstaltung) anzusehen.“ Hilfreich sei es auch bei größeren Herausforderungen, eine Förderung beim BMBF zu beantragen oder eine Kooperation mit einer Hochschule oder Firma zu suchen.
Fallbeispiele aus der Berliner Kulturlandschaft
Von ersten Anwendungen berichteten die Teilnehmer*innen des kulturBdigital Lab. Sehr lange schon werden in den öffentlichen Bibliotheken Berlins Medien wie Bücher und CDs mit einem RFID-Chip versehen, um das Ausleihmanagement zu vereinfachen. Dahinter stehe aber ein kompliziertes und auch teures Bibliotheksmanagementsystem, das nicht einfach auf andere Bereiche wie z.B. Orchesternoten übertragen werden könne.
Das bedauerte ein Vertreter der Orchestervereinigung ORSO. Er berichtete aber, dass sie sich eine einfache IPad-Smartphone-Anwendung erstellt haben, um die Anwesenheit von Orchestermitgliedern mittels eines QR-Codes zu tracken. Bei den Teilnehmer*innen stellte sich daraufhin die Frage, ob beim Internet oft Things auch Menschen Dinge sein könnten. Da solle man nicht päpstlicher als der Papst sein, meinte Christian Hammel, „dann erfinden wir halt das IoC – das Internet of Culture“.
Beim Nachdenken über mögliche Anwendungen im Kulturbereich gab es sehr unterschiedliche Ideen, wobei Chips, Sensoren, QR-Codes und Co helfen könnten. Diese Möglichkeiten wurden von den Teilnehmer*innen in verschiedene Anwendungsbereiche zusammengefasst.
Einerseits ging es ums Tracking von Dingen wie Notenmaterial, vermissten Medien aber auch Dekorationen und Kostümen. Dazu wurde auch die In-Haus-Navigation zur Orientierung z.B. im Museum genannt mit der Frage, ob der Weg durch die Ausstellung individualisiert werden könne.
Andererseits könnte IoT eingesetzt werden zur Steuerung des Raumlichtes, der Lüftung aber auch zur Zählung und Erkennung von Besucher*innen und deren Weg durch eine Ausstellung beispielsweise.
Spannend fanden die Teilnehmer*innen auch Anwendungsoptionen im Marketingbereich: Wie ist das Nutzer*innenverhalten? Wo sind sie hauptsächlich? Welche Medien nutzen sie? Wie lange verweilen sie in welchem Raum?
Für große weltweit agierende Gruppen, wie sie Chöre und Orchester darstellen, wäre ein digitales Travelmanagement wünschenswert, die Dokumentation von Anwesenheit sowie ein Noten- und Dokumentenmanagement.
Es gab auch erste Ideen, IoT als interaktive Anwendungen nutzen zu können. Beispiele wären ein smartes Bühnenbild als Teil der Inszenierung, Displays zu Inhalt und Ausleihstatus von Büchern und personalisierte Lesetipps oder ein RFID-Ring für jede*n Besucher*in. Was man damit tun kann, müsste man sich überlegen, so die Vision. Vorstellbar wäre eine Vernetzung der Besucher*innen untereinander. Dabei war eine Idee, dass ähnlich wie bei einer Dating App Menschen mit beispielsweise gleichen Leseinteressen den Vorschlag bekommen könnten, sich im Restaurant zu treffen, um bei einem Glas Wein über ihre Bücher zu diskutieren – wobei Restaurant und Wein automatisch vorab reserviert würden. Das wäre dann nicht das Internet of Things sondern breiter gefasst das Internet of Culture.
Text: Thomas Prinzler