Mit Gebäudedaten zum nachhaltigen Kulturbetrieb?

Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und die Eindämmung von Treibhausgasen als gesamtgesellschaftliche Aufgaben betreffen auch die Kulturorte. Dabei sind die Theaterhäuser, Museen, Bibliotheken und anderen Kulturorte mehr als nur zu optimierende Gebäude.  

Ein Bürogebäude am Abend, Blick in die von Innen beleuchteten und belebten Büros durch die Glasfade des Gebäudes hindurch.
Foto:  Mike Kononov / Unsplash

Um zu erfahren, wie Gebäudedaten auch bei den besonderen Erfordernissen im Kulturbetrieb für mehr Nachhaltigkeit sorgen können, haben wir gefragt: Welche Daten braucht es, um Kulturinstitutionen ressourceneffizienter und klimagerechter betreiben zu können? Und wie gestaltet sich das Datenmanagement in der Praxis? 

Am 8.4.2022 haben wir uns zum ersten Mal zu diesem Thema mit Akteur:innen aus der Kultur ausgetauscht. Als Referent:innen waren dabei:

  • Anne-Caroline Erbstößer und Dr. Christian Hammel aus dem Bereich Innovation Policies & Research der Technologiestiftung Berlin 
  • Danilo Vetter, Fachbereichsleiter der Stadtbibliothek Pankow

Pilotprojekt: Die Klimabilanz der Stadtbibliothek Pankow

Die Stadtbibliothek Pankow war Teil des Pilotprojektes der Kulturstiftung des Bundes „Klimabilanzen in Kulturinstitutionen“, das 19 Kulturinstitutionen dabei unterstützte, eine Klimabilanz zu erstellen und den eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Die Ergebnisse sollen unmittelbar Anreize dafür schaffen, Nachhaltigkeitskonzepte in die Betriebspraxis zu integrieren. 

Danilo Vetter, Fachbereichsleiter der Stadtbibliothek Pankow, berichtet über einen “sehr manuellen Prozess”, in dem er mit seinem Team Daten von Heiz- und Stromkosten, Mobilitätsdaten der Mitarbeitenden bei Arbeitswegen bis hin zu Zahlen der Abfall- oder Wasserwirtschaft an den insgesamt acht Standorten zusammengetragen hat. Für die Durchführung waren einige Arbeitsstunden nötig, um für die Datenerhebung Dokumente zu sammeln, Beträge auseinander zu rechnen und zu vergleichen. Eine kostenpflichtige Software unterstützte schließlich bei der Berechnung der CO2-Bilanz auf Grundlage der Daten.

Für die Zukunft, so Vetter, würde er sich wünschen, dass “der Erfassungs- und Ausleseprozess der Daten durch digitale Sensorik und Automatisierung (…) noch deutlich angereichert werden können”. Doch auch schon jetzt lassen sich die Ergebnisse der Bilanzierung bei einzelnen Standorten heranziehen, um den Bedarf nach Sanierung zu verdeutlichen – und mit Zahlen zu belegen. Danilo Vetter resümiert:

„Die Klimabilanzierung eröffnet für uns die Chance, für die Zukunft effiziente Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen anzustoßen und diese Erkenntnisse bei der Planung anstehender Gebäude einzubeziehen.“

Danilo Vetter, Fachbereichsleiter Stadtbibliothek Pankow

Wir haben aus dem Prozess gelernt, dass die Maßnahmen mit den größten Einsparpotentialen leider auch die am aufwändigsten zu realisierenden sind. Dies betrifft u.a. Bauvorhaben, Technik, Beleuchtung, die allesamt hohe Investitionen erfordern”, sagt er weiter. 


Intelligente Bauten – Nachhaltigkeit bei Gebäuden durch Digitalisierung 

Von der Technologiestiftung Berlin gab Anne-Caroline Erbstößer einen Überblick zu grundlegenden Themenkreisen des Gebäudemanagements: Das intelligente und nachhaltige Gebäude – wie kann dies erreicht werden und welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung? 

Der nachhaltige Gebäudebetrieb besteht aus drei Qualitäten mit einer ökologischen, einer ökonomischen und einer soziokulturell-funktionalen Komponente – so beschreibt es die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Alle Analysen und Maßnahmen im Hinblick auf Klimaschutz zielen auf diese drei Qualitäten. 

Ein Tortendiagramm mit drei Elementen: Erstens: "Ökologische Qualität" mit den Unterpunkten Klimaschutz und Energie, Wasser und Wertstoffmanagement. Zweitens: "Ökonomische Qualität" mit den Unterpunkten Betriebskosten, Riskomanagement und Werterhalt, Beschaffung und Bewirtschaftung. Drittens: "Soziokulturelle und funktionale Qualität" mit den Unterpunkten Innenraumkomfort, Nutzerzufriedenheit, Mobilität.
Abbildung: Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ‑ DGNB e.V.

Bis 2045: Klimaneutralität im Berliner Gebäudebestand erreichen

Das Pariser Abkommen der Vereinten Nationen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, zielt ins Jahr 2045. Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Berliner Gebäudebestand treibhausgasneutral betrieben werden – in der Fachsprache ausgedrückt: Er soll den Status „Paris-proof“ erlangen. Neben der Gebäudehülle und Art der Energieversorgung spielt hier die Digitalisierung eine wichtige Rolle bei der Erreichung des Ziels. 

Durch den Einsatz digitaler Technologien im Gebäudemanagement wird ein Einsparpotential von bis zu 30% möglich.

Eine gute Nachricht ist: Viele Gebäude sind mit ihrer Anlagentechnik bereits digitaler als angenommen. Heizungsanlagen ganz oder in Teilen zu erneuern, ist nicht immer notwendig. Viele Anlagen aus den vergangenen Jahrzehnten könnten mehr und besser arbeiten, wenn sie nur entsprechend gepflegt und erweitert würden. Häufig reichen schon ein paar kleine Eingriffe für die Digitalisierung, zum Beispiel der Einbau von sog. „smart meter“, Sensoren oder Steuerungen, um Heiz- oder Lüftungssysteme zu optimieren und CO2-Emissionen gezielt zu reduzieren.  

Wie weit sind wir noch vom Klimaziel entfernt?

Der Status quo stimmt allerdings nicht optimistisch: Der Gebäudesektor ist mit 18,8 Millionen Wohngebäuden und 2,7 Millionen Nicht-Wohngebäuden für 903 Terawattstunden und damit für etwas mehr als einem Drittel des gesamten Energiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich (BMWi, 2019). Als einziger Bereich verfehlte der Gebäudesektor mit gut 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen sein Sektorziel um 2 Millionen Tonnen, so der Expertenrat für Klimafragen. Hieraus ergibt sich ein dringender Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Gebäudeperformance. 

Gebäudeperformance: Um welche Daten geht es?  

Welche Daten spielen bei der Betrachtung der Gebäudeperformance eine Rolle? Um zu einer soliden Datengrundlage zu gelangen, bedarf es einiger Grundüberlegungen. Was produziert das Gebäude? Was kommt in das Gebäude hinein? Was benötigen die Nutzer:innen? Und wer benutzt das Gebäude regelmäßig?

Aufgrund dieser Überlegungen wird es möglich eine Ist-Analyse vorzunehmen, Ziele zu konkretisieren (z.B. Sanierungsfahrplan, Erarbeitung eines Klimapfads, Energieaudit, etc.) und dann durch konkrete Maßnahmen zu operationalisieren, die in regelmäßigen Abständen evaluiert werden können. 

Schematische Darstellung eines Hauses, das dreigeteilt ist. Der obere Bereich ist beschriftet mit "Was produziert das Gebäude?". der linke untere mit "Was geht in das Gebäude rein?" und rechts unten "Was benötigt der Nutzer?". Um das Haus herum sind exemplarisch Nutzergruppen des Gebäudes aufgezeigt, die die drei Fragen jeweils unterschiedlich gewichten oder bewerten: Eigentümer, Mieter, Versorger, Entsorget, Lieferanten, Dienstleister, Betreiber, Makler, Banken, Versicherungen, Gerätehersteller, Planer und Handwerker, Schornsteinfeger, Gutachter, Behörden, Hausverwaltung, Facility Manager, Bund, Senat, Bezirke, Nutzer, Gast.
Abbildung: Technologiestiftung Berlin

Beispiele und Projekte

Strom- und Wasserverbrauch, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, CO2-Gehalt der Luft, Anzahl der Menschen im Inneren, Zahl der freien Arbeitsplätze, die Beleuchtung – eine Vielzahl von Daten können von einem Gebäude erfasst werden. Entsprechend groß ist die Bandbreite der Möglichkeiten und Beispiele dafür, wie Gebäudedaten genutzt werden. Hier eine Auswahl von Anwendungsbeispielen von öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden: 

Verbräuche von Wärmeenergie in der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft und der Beuth Hochschule für Technik Berlin stehen im Zentrum des Projektes “HEAT MAP”, bei dem Büroräume mit Wärmesensoren überwacht werden. Über zwei Heizperioden hinweg wurden Daten gesammelt und für die jeweiligen Gebäude visualisiert. Durch das Projekt konnte eine Wärmeeinsparung von 20% erzielt werden und die HEAT MAP wurde erfolgreich in das Energiemanagement der Institutionen integriert. Eine Ausweitung des Systems auch für andere Hochschulen wird angestrebt.  

Ein Grundriss der Beuth-Hochschule, auf dem die Temperatur durch Farben von Blau bis Rot für einzelne Räume dargestellt wird.
Abbildung: Beuth Hochschule für Technik Berlin
Ein kleiner rechteckiger Sensor, der die Betriebsfähigkeit eines Fahrstuhls messen kann.
Foto: Sozialheld*innen e. V.

Für barrierefreien Nahverkehr: Das Projekt Wheelmap des Vereins Sozialheld*innen fokussiert mit dem Teilprojekt Broken Lifts auf gestörte Aufzüge im Berliner Bahnbetrieb. Hierbei werden in  Echtzeit die Funktion von Aufzügen im Netz des öffentlichen Nahverkehrs erfasst und auf der Wheelmap für Nutzer:innen sichtbar.  
Wegen des hohen Bestands an älteren Fahrstühlen haben die Initiator:innen des Projektes eigens einen Sensor entwickelt, der an den Aufzügen angebracht wurde. Hierdurch können sich Menschen Behinderung, die auf Aufzüge angewiesen sind, ebenso wie Eltern mit Kinderwagen oder Fahrradfahrer:innen in Echtzeit über die Barrierefreiheit ihrer Route informieren.

Die Hotel und Gastgewerbebranche setzt bereits jetzt eine Vielzahl von Smart Building Technologien um: Ein Beispiel sind Funksender in Hotelzimmern, die dem Gast ermöglichen bspw. mitzuteilen, wenn ein neues Handtuch benötigt wird, damit das Facility Management effizient und pro Raum bedarfsgerecht die Einsätze im Voraus planen kann. Es wird erwartet, dass Smart Hotels der Zukunft im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz, Robotik und Sensorik u.a. auf „Ambience Intelligence“ setzen, um etwa zu wissen, was entweder der Gast in welcher Situation benötigt oder das Gebäude selbst, um bspw. automatisiert Energie einzusparen. Mehr Infos.

Ein Funksender, mit dem man im Hotel als Gast signalisieren kann, dass man ein neues Handtuch benötigt.
Foto: Jörg Schneider, CC BY-SA 4.0
Das Londoner Smart Building Crystal. Ein größtenteils Gläsernes Gebäude mit scharfen Winkeln und Formen am Wasser gebaut.
Foto: Matt BuckCC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Wasser ist eine weitere wichtige Ressource im Gebäude: Verbrauch, Verschwendung, Qualität oder Leckage sind Gegenstand von Messungen und Datenerhebungen. In einigen Smart Buildings werden Wasserzisternen eingesetzt, die je nach Bedarf und Regenverhältnissen automatisiert das gesammelte Wasser in den Wasserkreislauf des Gebäudes einspeisen können. Im Zusammenspiel mit Aufbereitungsanlagen wird es so möglich sowohl Trinkwasser als auch Nutzwasser (etwa für Toiletten) bis zu 100% des Bedarfes selbst zu erzeugen. Ein Beispiel für diese und andere Technologien ist das Londoner Smart Building „Crystal„.

Durch die Corona-Pandemie ist das Thema Luft und Lüften in Innenräumen stark in den Fokus gerückt. Mit COMo-Berlin unterstützt die Technologiestiftung Berlin das CO2-Monitoring in Innenräumen. Über das Projekt kann die Luftqualität in den Räumen erfasst und verfolgt werden. Dafür werden Sensoren zur Verfügung gestellt, die Luftwerte messen und an eine Plattform schicken, auf der die Werte angezeigt werden. Mehr zum Projekt findet sich hier

Schematische Abbildung, wie das Projekte COMo-Berlin funktioniert: Vom Sensor zum Gateway, a.s Information zur Nuter:in, wodurch das gewünschte Ergebnis, sichtbare Luftqualität, erzielt wird.
Abbildung: Technologiestiftung Berlin

Betriebsökologie in Kulturinstitutionen: Klimabilanzen und -konzepte

CO2-Emissionen sind einer der zentralen Faktoren für den Klimawandel und ihre Reduktion – und damit eine der wichtigsten Herausforderungen zur Einhaltung des Pariser Klimaziels. 

Energieverbrauchs- und CO2-Kennzahlen, die über smarte Gebäudetechnik und -sensorik erfasst werden, könnten bald zu interessanten Planungsgrößen in Nachhaltigkeitskonzepten für Spielstätten und künstlerisch Produzierende werden. Etwa dann, wenn beschreibbar wird, wie viel Energie eine Produktion unter variablen technischen Voraussetzungen an einem Spielort verbraucht oder wie hoch voraussichtlich der CO2-Ausstoß durch einen Transport des Produktionsguts und der Reise der Beteiligten zu einem Gastspielort wäre. 

Diese Kennzahlen könnten zeitnah in Energieversorungskonzepten von Spielstätten eine Rolle spielen. Kulturelle Veranstaltungsorte verzeichnen energetisch sog. „atypische Lastgänge“ mit großen Spitzen zu Veranstaltungszeiten meist am Abend. Je planbarer künftig die Bedarfe sind, desto effizienter können Energiekonzepte basierend auf alternativen Energiequellen mit Speicherlösungen in Institutionen greifen und Kulturgebäude in die dezentralen urbanen Energienetze der Zukunft einfügen. 

Mit Technologie zur ökologischen Transformation der Kulturorte

Digitale Lösungen zur Erfassung der Gebäudedaten sind auch für Kulturorte ein entscheidender Schritt in Richtung ökologische Transformation und Nachhaltigkeit. Die Auswertung der erhobenen Daten erlaubt erst die Auswahl an effektiven Maßnahmen, die Erstellung von Konzepten oder die Planung von baulichen Sanierungen. Vielfach ist dies leichter gedacht als umgesetzt, denn oftmals sind Betreiber:innen nicht gleich Eigentümer:innen und es bedarf intensiver Abstimmung im Einzelfall. Eine weitere nicht technologische große Frage im Fall der Kulturorte ist, wie sich Belange des Klimaschutzes mit dem Denkmalschutz vereinbaren lassen.

Der Grad an Digitalisierung und Automatisierung ist besonders im Kulturbereich variabel: Vom Klebezettel mit  Erinnerung, die Heizungen auszuschalten und Fenster zu schließen in der einen Institution, bis zum avancierten digitalen Energiemanagementsystem im anderen Haus ist die Ausgangslage derzeit sehr heterogen.

Wir werden das Thema weiter begleiten. Denn unabhängig vom Gegenstand der Betrachtung gilt: Der Zeitpunkt für Ressourceneinsparung und Auseinandersetzung mit der globalen Klimakrise und die Notwendigkeit eines unmittelbaren Handelns zum Erreichen der vitalen Pariser Klimaziele ist jetzt. 


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