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PROMPTING CULTURE: Das war die KI-Konferenz der Berliner Kulturverwaltung

Was bedeuten Kreativität und Urheber:innenschaft in Zeiten generativer KI? Wo versprechen KI-Tools Erleichterungen im Kulturalltag? Am 26. Mai hatte der Kultursenator in den Lokschuppen des Technikmuseums geladen, um über den Status quo in verschiedenen Kultursektoren zu debattieren. Unsere Eindrücke. 

Blick aus der Mitte des Publikums: Von links nach rechts auf der Bühne der KI-Konferenz sitzen in einem Halboval Moderator:in AC Coppens, Sabine Frank (YouTube DACH), Senatorin Felor Badenberg, Senator Joe Chialo und Clara Herrmann (Akademie der Künste). Joe Chialo hält ein Mikrofon und spricht, die Blicke der anderen Diskussionsteilnehmenden sind auf ihn gerichtet. Hinter ihnen eine Präsentation auf großer Leinwand, auf der neben den Namen der Diskutant:innen der Titel der Podiumsdiskussion steht: "Ausblick: Was Kulturakteur:innen für die neue KI-Welt brauchen"
Foto: Jan Zappner/re:publica, Lizenz CC BY-SA 2.0

Wie facettenreich ein Thema ist, zeigt sich, wenn man versucht, es an einem Konferenztag halbwegs umfassend zu behandeln. PROMPTING CULTURE, die KI-Konferenz der Berliner Kulturverwaltung in Kooperation mit der re:publica, hätte auch gut zwei oder drei Tage dauern dürfen, so reich an Praxiseinblicken und Perspektiven und dabei eng getaktet war das Programm.   

Überrascht hat uns das nicht – waren wir doch als Netzwerkpartnerin der Kulturverwaltung zusammen mit unseren Kolleg:innen von digiS von Anfang an beratend in die Programmplanung eingebunden. Einige Highlights der Konferenz, die am 26. Mai 2024 im Lokschuppen des Berliner Technikmuseums stattfand, haben wir hier für euch zusammengestellt. 

Thorsten Koch (digiS) zum Stand der Technik

Wie viel Hype ist angebracht und wie viel Vorsicht geboten angesichts aktueller Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz? Wie nah sind wir schon an einer KI, die großen gesellschaftlichen Schaden anrichten und/oder drängende Menschheitsprobleme lösen könnte? 

Thorsten Koch leitet das Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) am Zuse-Institut. Für die KI-Konferenz hatte er einen kondensierten und unterhaltsamen Ritt durch die Geschichte „algorithmischer Intelligenz“ mitgebracht.

Er erläuterte, warum der Begriff „Künstliche Intelligenz“ zwar hilft sich die dahinterliegenden Prozesse vorzustellen, es sich bei den heute verfügbaren Technologien aber nicht um Intelligenz im menschlichen Sinne handelt.  Im Video erfahrt ihr außerdem, welche Aufgabenkategorien besonders gut von großen KI-Sprachmodellen erledigt werden können und warum es so verführerisch ist, Maschinen Gefühle zuzuschreiben. 

Lisa Käde zu KI und Urheberrecht

„Sind wir Kreative, die mit Maschinen arbeiten? Arbeiten wir mit kreativen Maschinen? Oder werden wir vielleicht kreativer – durch die Maschinen?“

Rechtsanwältin Lisa Käde zeigt bereits in den einleitenden Sätzen ihres Vortrags, dass Fragen des Urheberrechts beim Thema generative KI nicht zu trennen sind von eher philosophischen Erwägungen zum kreativen Schaffensprozess und zum Kunstbegriff.

Folgendes erwartet euch im Video: 

  • Erlangen mit KI-Unterstützung erstellte Bilder den Status eines „Werkes“ im Sinne des Urheberrechts, können sie also „persönliche geistige Schöpfungen“ sein? Welche Kriterien müssen sie erfüllen, damit Schutzrechte greifen?  
  • Dürfen KI-Entwickler:innen Inhalte, die sie im Netz finden, für das Training ihrer Modelle verwenden? (Spoiler: Ja, oft dürfen sie das.) 
  • Welche Möglichkeiten gibt es, die eigenen Werke vor der Verwendung als Trainingsdaten zu schützen und lauern dabei Risiken für die eigene Sichtbarkeit im Netz? (Spoiler: Ebenfalls ja.) 

Die Abschlussdiskussion

Was brauchen Kulturinstitutionen und Künstler:innen, um selbstermächtigt und verantwortungsbewusst mit den Möglichkeiten umzugehen, die Künstliche Intelligenz bietet?  

Um über diese und weitere Fragen zu debattieren, trafen sich zum Abschluss der Konferenz Joe Chialo (Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt), Felor Badenberg (Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz), Clara Herrmann (Leitung der JUNGEN AKADEMIE an der Berliner Akademie der Künste) sowie Sabine Frank (Head of Governmental Affairs and Public Policy YouTube DACH) zu einer Podiumsdiskussion. 

Clara Herrmann machte sich stark dafür, Künstler:innen nicht nur besseren Zugang zu neuen Technologien zu bieten, sondern sie auch bei der kritischen Auseinandersetzung mit KI-Systemen als Machtsystemen zu unterstützen.

Die Künste sollten als gesellschaftliches Korrektiv ernster genommen werden, das sich neue Technologien nicht nur kreativ aneigne, sondern sie auch gerne kritisch beforsche, um zu zeigen, was bei ihrem Einsatz auf dem Spiel stehen könne. Für diese Arbeit der Künste sei mehr Infrastruktur nötig, beispielsweise in Form von KI-Werkstätten.  

Zu den von KI ausgehenden Risiken konstatierte Senatorin Felor Badenberg, dass Justiz und Verbraucherschutz gefordert seien, Antworten für den Umgang mit KI-Systemen zu finden. KI-generierte Deep Fakes könnten ganze Existenzen zerstören. Gleichzeitig machte sie auf die Wichtigkeit von Automatisierung in Zeiten des demographischen Wandels aufmerksam. 

KI sei zwar verantwortlich für viel fragwürdige Inhalte im Netz; die Technologie könne aber auch helfen, selbigen frühzeitig zu erkennen und offline zu nehmen, argumentierte Sabine Frank. Rund 97 Prozent der acht Millionen Inhalte, die im letzten Quartal von YouTube gelöscht wurden, seien mit Hilfe von KI-Tools erkannt worden.  

Die schiere Masse an hochgeladenen Videos mache es aber unmöglich zu bestimmen, wie groß der Anteil an KI-generierten Inhalten auf der Plattform sei.  

Senator Joe Chialo sprach sich dafür aus, das Thema KI auch in der Kultur in die Breite zu bringen. In Zeiten knapper Budgets könne die Technologie helfen, indem man beispielsweise in der Filmproduktion auf KI-generierte Kompars:innen setze. Er rief dazu auf, eine Lust an der Auseinandersetzung zu entwickeln, statt sich dystopischen Zukunftsvisionen hinzugeben.  

Ein spezifisch europäischer Umgang mit KI könne darin bestehen, technologische Weiterentwicklung zu fördern, ohne die gesellschaftlichen Anforderungen zu vernachlässigen. Gesetze wie der Digital Services Act und der EU AI Act zeigten, dass Europa in der Lage sei, hier Ausrufezeichen zu setzen. Kulturakteur:innen sollten sich zusammenschließen, um zu beraten, welche Entwicklungen sie sich im Bereich KI wünschen. 

Dem schloss sich Clara Herrmann in ihrem Abschlussstatement an und forderte einen KI-Rat der Künste. 

Zur gesamten Podiumsdiskussion: 

Sämtliche Beiträge findet ihr in der Konferenz-Playlist, die die re:publica auf YouTube zusammengestellt hat. 

Unser Fazit

Nach den stets ausgebuchten Veranstaltungen unserer Reihe „KI trifft Kultur“ wussten wir bereits: Künstliche Intelligenz ist als Thema und (potenzielle Alltags-)Technologie in weiten Teilen der Kulturszene angekommen. Nicht im Sinne einer unreflektierten Verwendung der Tools großer Tech-Firmen, sondern im Sinne eines spielerischen, bedachten Umgangs – und eines institutions- und spartenübergreifenden Austauschs.  

Senator Joe Chialo stellte die KI-Konferenz in der Abschlussdiskussion als Startpunkt für weitere Auseinandersetzungen dar und erwog eine Wiederauflage der KI-Konferenz im nächsten Jahr.  

Konferenzen können großartige Gelegenheiten sein, über den Tellerrand des eigenen Alltags hinauszuschauen, visionäre Energie zu tanken und Veränderungsimpulse mitzunehmen. Auch wir haben vieles von der KI-Konferenz mitgenommen. Wenn es nächstes Jahr weitergeht, stehen wir gerne wieder zur Verfügung, um Themen einzubringen und spannende Speaker:innen zu empfehlen, die wir aus unserem Netzwerk oder durch unsere umfangreichen Recherchetätigkeiten im digitalen Kulturbereich kennen.

Um das Thema KI, wie vom Senator gewünscht, in die Breite zu bringen, braucht es aber noch mehr. Der Konferenz selbst hätte zum Beispiel mehr Raum für Diskussionen mit Publikumsbeteiligung gutgetan. Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten, dass die Berliner Kultur darüber hinaus einen großen Bedarf an Werkstätten und Laboren sowie nach Räumen für Austausch und Vernetzung hat.

Text: Thorsten Baulig