Zwischen Crowdfunding und Online-Tickets: Bezahlmodelle für digitale Kulturangebote

Wie lassen sich Theater, Konzerte oder Ausstellungen im Internet finanzieren? Welche Erfahrungen rund um Bezahlmodelle gibt es? Antworten dazu suchte unser Austausch am 14. September 2020.

Monetarisierung von und Bezahlmodelle für digitale Kulturangeboten: Symbolbild mit Laptop
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Erfahrungsaustausch ermöglichen und neue Impulse geben ist das Ziel von kulturBdigital als Plattform für Berliner Akteur*innen aus der Kunst- und Kulturszene. Dazu luden wir Mitte September 2020 gemeinsam mit dem Kulturförderpunkt Berlin zum Online-Workshop rund um Bezahlmodelle für digitale Kulturangebote. Mit dabei: 85 Vertreter*innen von Theatern, Spielstätten, Galerien und der Freien Szene.

Den Workshop mit Katrin Rönicke (Podcast Wochendämmerung), Nils Gelfort (United We Stream) und Lena Kollender (Theater Kampnagel) könnt ihr hier nun Nachschauen bzw. Nachlesen.

Eine wesentliche Frage ist die nach der Finanzierung digitaler Kulturangebote – nicht erst seitdem Corona das Kulturleben der Stadt zum Erliegen brachte. Theater, Museen und Galerien blieben monatelang geschlossen, die Clubs sind immer noch zu, kämpfen ums Überleben. Staatliche Hilfen sind oft nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Bezahlmodelle – 3 Fallbeispiele

United We Stream: Spenden-Modell für Berlins Clubs

Das zeigt sich insbesondere in der Clubszene, wie Nils Gelfort von der Initiative United We Stream berichtete. Diese Aktion ermöglichte Club-Konzerte im Live-Stream. Dafür wurden auf Spendenbasis Gelder gesammelt. Sofort mit dem Lockdown am 13. März haben die Clubbetreiber mit der Berliner Clubkommission nach Alternativen gesucht. Bereits am 16. März wurde die Betterplace-Spendenkampagne gestartet, am 18. März gab es den ersten Stream aus dem Watergate. „Der hatte eine Million Zuschauer, wir waren völlig überrascht“, sagt Gelfort. Innerhalb der nächsten drei Tage liefen die ersten 200.000 Euro Spenden auf Betterplace ein. „Wir dachten, wir retten die Clubkultur.“ Es gab eine große Solidarität der Clubs untereinander, die sich zu einem so genannten Cross Posting Netzwerk zusammenschlossen. Das heißt, dass die Streams geteilt und so große Reichweiten generiert wurden. Auch die Kooperation zwischen der Clubcommission Berlin und dem europäischen Kulturkanal Arte war für die Sichtbarkeit entscheidend. Und es gab ein enormes Presseecho, betont Gelfort, von New York Times bis Spiegel und Tagesschau.

Die Bilanz von United We Stream seit März ist beeindruckend: 420 Streams aus 409 Locations aus 85 Regionen weltweit. Insgesamt 1,5 Millionen Euro wurden an Spenden gesammelt, davon bekamen die Berliner Clubs 500.000 €. Damit konnten sie ihre Künstler*innen bezahlen oder das Geld für Miet- und Nebenkosten verwenden. „Wir haben es den Clubs relativ freigelassen, was sie mit dem Geld machen“. Möglich war das nur, weil sich zeitweise 200 ehrenamtliche Helfer*innen um Streams aber auch um die Verteilung der Spendengelder gekümmert hätten.

Sehr problematisch sei aber die Auszahlung der Gelder gewesen, so Gelfort. Spenden von Betterplace dürften nicht an privatwirtschaftliche Unternehmen, wie sie die Clubs sind, ausgezahlt werden. „Wir mussten einen sehr, sehr ausgefeilten Vertrag schließen …, um dieses Geld auszahlen zu können. Das hat zum Schluss geklappt.“ Allerdings hätten sie mit der Erfahrung von heute die Aktion nicht über Spenden sondern über Crowdfunding finanziert.

Ein weiteres Problem, vor das sie sich gestellt sahen und was sie unterschätzt hatten, waren die Lizenzrechte. Nicht nur große Labels wie Warner Music bezweifelten, dass United We Stream auch die jeweiligen Nutzungsrechte für die Musik der Künstler*innen hatten.

Jetzt seien sie dabei, neue Strukturen für United We Stream zu schaffen. An oberster Stelle stehe aber, so Nils Gelfort, „ein Modell zu finden, ein Konzept, wo faire Entlohnung auf jeglicher Seite stattfinden kann.“ Und das möglichst plattformunabhängig und ohne Paywall oder Subskriptionsmodelle für DJ-Streams.

Theater Kampnagel: Wie bepreist man Online-Theater?

Lena Kollender ist Dramaturgin und Co-Kuratorin des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel in Hamburg. Dort werden alljährlich im August bis zu 50 verschiedene Arbeiten aus den Bereichen Tanz, Theater, Performance, Musikbühne, Kunsttheorie und Film gezeigt – ein sehr breites Spektrum. Im März zum Lockdown sei man gerade mit der Planung fertig gewesen, sagt Kollender, aber sie haben dann „schnell versucht herauszufinden, was im August dann wohl irgendwie stattfinden kann.“ Sie entwickelten vier verschiedene Festival-Szenarien mit unterschiedlichen Bausteinen, um das Festival in die Kampnagel-Hallen zu bringen. So konnten dort sieben größere Produktionen live gezeigt werden mit reduzierter Kapazität, weitere 50 Veranstaltungen fanden Open Air im Festival-Garten statt. Zudem gab es außerhalb des Kampnagelgeländes zum Beispiel Audio-Walks zu Ausstellungen.

Und sie hätten sich entschieden, sagt Kollender, „dass wir alle künstlerischen Arbeiten mit Tickets bepreisen wollen“. Künstlerische Arbeiten seien aufwändig, und dafür müssten die Künstler*innen, die Logistik und das technische Personal bezahlt werden. Dafür habe man sehr verschiedene Preisstrukturen entwickelt. Beispielsweise sei das Kollektiv Nesterval aus Österreich mit einer sehr aufwändigen Produktion mit dem „Willy Brandt Test“ dabei gewesen. „Da haben wir entschieden, in Anbetracht sozusagen der Kosten-Nutzen Geschichte, die Preise für diese Arbeit pro Person so hoch zu setzen wie der Normalpreis in unseren Hallen auch ist, das sind 28 Euro für eine Person.“ Diese Produktion wurde 18 Mal gezeigt, von den 288 Tickets konnten 200 verkauft werden. Eine andere exklusive Vorstellung war die Performance der australischen Künstlerin Samara Hersch. Mit 60 Zuschauer*innen war sie ausverkauft.

Nur 5 Euro kostete dagegen der Theater-Livestream des Berliner Gob Squad Arts Collective, der während der Corona-Zeit entstanden war und bereits vor dem Festival schon online zu sehen war. Auf Kampnagel wurde er erstmals im Theaterraum gezeigt.

Lena Kollender konnte resümieren, dass die „Arbeiten, die günstiger waren, weniger Zuschauer*innen hatten als die teureren Veranstaltungen.“ Den Grund sieht sie auch darin, dass die Gob-Squad-Inszenierung bereits gelaufen war. Aber, ihr persönliches Fazit ist positiv: „Wo Menschen irgendetwas wirklich gerne sehen wollen, wird der Preis gezahlt, solange er sich in einer einigermaßen erklärbaren und auch normalen Preisspanne bewegt.“ Kampnagel nutzte für den Kartenverkauf Jetticket – das Standard Ticketing-System für Theater. Bei bestimmten Online-Veranstaltungen wurden aber auch Karten sehr aufwändig händisch per Email verschickt.

Wochendämmerung: Crowdfunding für den Podcast-Dauerbetrieb

Der Podcast Wochendämmerung erscheint immer freitags. Die Autor*innen versuchen, „die Nachrichten der Woche noch mal Revue passieren zu lassen… und auch zu gucken, ob wir noch ein bisschen mehr dazu erzählen können, als die Tagesschau“, erzählt die Journalistin und Podcasterin Katrin Rönicke, die Wochendämmerung gemeinsam mit Holger Klein produziert. Dabei ist es ihr wichtig, dass der Podcast komplett hörer*innenfinanziert ist. Unregelmäßig hätten sie auch Werbung, die aber „gerade jetzt in Corona-Zeiten natürlich als Erstes wegbricht, weil die entsprechenden Unternehmen oder Firmen selber straucheln und gucken müssen, wo sie sparen können.“

Alle Honorare seien durch die Crowd finanziert, betont Rönicke. Gestartet sei der Podcast bereits 2015 auf der Audioplattform audible als eine Art „Versuchskaninchen“, wie Hörer*innen Podcasts annehmen. 2017 endete die Kooperation, man „passe nicht mehr ins Portfolio“, so die Ansage von audible. Doch der Entschluss der beiden stand fest: „Probieren wir es mal, ob wir es schaffen, einsam auf eigenen Füßen zu stehen, wenn wir das Ganze sozusagen kostenlos, ohne dass irgendjemand ein Abo abschließen muss, in die freie Podcast Wildbahn entlassen und einfach senden.“ Da aber Arbeit und technisches Equipment investiert werden musste, war klar, dass das Angebot dann doch nicht ganz umsonst und kostenlos sein könne. „Wir brauchen Geld dafür, und das haben wir relativ deutlich dann auch kommuniziert.“ Klare Ansagen machen und völlige Transparenz sind wichtig, nur so ist eine Crowdfinanzierung möglich.

Nachdem sie ein klassisches Funding auf der Crowdfunding Plattform Startnext verworfen hatten, entschieden sie sich, auf die neue Plattform Steady zu gehen. Inzwischen sind da auch BILDblog und Uebermedien gehostet. Für die Wochendämmerung hätten sie „dort verschiedene Mitgliedschaftsmodelle“, sagt Rönicke, „bis zu 20 Euro im Monat kann man uns zukommen lassen. Das nennen wir dann die ‚Ultras’, die anderen sind der ‚Fanclub’. Und diese beiden sehr viel zahlenden Hörer*innen-Gruppen, die lesen wir tatsächlich auch am Ende jeder Sendung vor so wie im Abspann eines Films.“ Das sei ein schönes Miteinander, inzwischen gäbe es über 775 Mitglieder, die den Podcast finanzieren. Damit könnten sie nun auch Honorare zahlen, für die sie sich nicht schämen müssten. Die Abrechnung laufe im Übrigen über die Buchhaltung der Firma, die sie gegründet hätten.

Zur Transparenz gehöre auch zu erklären, welche Ziele man habe und was mit dem Geld geschehe. Ihr nächstes großes Ziel sei es, ein Fact-Checking für die Sendungen zu erreichen, indem sie „jemanden dafür bezahlen, sich die Sendung durchzuhören und zu gucken, ob das eigentlich alles stimmt, was die beiden da erzählen.“

Allerdings funktioniere die Crowdfinanzierung bei der Wochendämmerung auch deshalb, weil sie schon Hörer*innen mitgebracht hätten (von audible). Bei einem anderen Projekt „Lila Podcast“ (“Der Klassiker unter den feministischen Podcasts”, schreibt Ze.tt, das junge Angebot der Zeit) sind die Schwierigkeiten größer, da die Zielgruppe junge Leute sind. „Die haben ihr Taschengeld und müssen wahrscheinlich auch für die nächste Switch (Spielkonsole) sparen….Und dann wollen sie das natürlich nicht für einen Podcast ausgeben.“ Da funktioniere Crowdfunding nicht, da müssten sie über andere Modelle nachdenken.

Resümee: Viele Ideen, aber auch viele offene Fragen

In den anschließenden Diskussionsrunden standen die Erfahrungen und Herausforderungen aller Teilnehmer*innen im Mittelpunkt: Welche Plattformen eignen sich? Wofür sind Hörer*innen und Zuschauer*innen im Netz bereit zu zahlen? Und wie könnte ein Ticketing aussehen?

Webgerechte Formate statt Retorte

Die Beteiligten waren sich einig, dass als Grundvoraussetzung der Content als so relevant und wertvoll wahrgenommen werden muss, dass dafür gezahlt wird. Das könnten exklusive Performances oder Theater-Premieren sein. Beklagt wurde aber auch die zum Teil fehlende Bereitschaft, auch für qualitative Inhalte zu zahlen, was als fehlende Wertschätzung wahrgenommen wird. Allerdings stehen performative Künste wie auch DJ-Gigs und Live-Musik vor der besonderen Herausforderung, ihre analog konzipierten Formate ins Netz zu übertragen. Denn in diesen Sparten spielt das Erleben eine ganz besondere Rolle. Daher gab es auch die Anregung darüber nachzudenken, wie das Erlebnis im physischen Raum – wie  z.B. im Foyer eines Theaters – im Digitalen nachgebildet werden kann oder sich der Raum online auch komplett neu denken lässt. So gab es etwa die Anregung für Performances oder Ausstellungen eine exklusive App zu verkaufen.

Auch die Fragen, wer eigentlich digitale Kunst konsumieren würde, wie digitale Kunst aussehen müsse, um dafür zu zahlen und wie man sie im Netz finden könne, blieben unbeantwortet und als Anregung für die Zukunft bestehen.

Bildungsauftrag vs. Produktionskosten

Wichtig ist ebenfalls, wie das Projekt bzw. die Institution selbst finanziert ist. Bei öffentlich geförderten Angeboten ist zwar der Druck der Monetarisierung nicht so groß wie im Off-Bereich, dennoch stehen beide Bereiche vor vergleichbaren Problemen, ihre Angebote ins Netz und finanziert zu bekommen. Museen, wie das Naturkundemuseum Berlin als öffentliche Kulturinstitution, machen ihre Sammlungen im Rahmen ihres Bildungsauftrages zumeist digital zugänglich. Wenn aber ein Unternehmen beispielsweise aus der Vogelstimmensammlung einen Sound in besonderer Qualität haben wollte, sind eine mögliche Bezahlung und der Preis dafür offene Probleme.

Auch eine Paywall oder Subskriptionsmodelle bieten sich nicht für alle Veranstaltungen an, insbesondere, da die Konkurrenz von gratis verfügbaren Inhalten im Netz sehr groß ist.

Mit dem Ticketing haben die Teilnehmer*innen ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Eine der offenen Fragen war, wie es gelingen kann, Zuschauer*innen dazu zu bewegen, eine Plattform zu nutzen inklusive digitaler Bezahlformate. Wichtig seien kurze und einfache Wege des Bezahlens wie das Einbinden von Ticketing-Anbietern (Eventim, Reservix, Ticketmaster aber auch kleinere und regionale Anbieter) in die Webseite – natürlich unter Beachtung des Datenschutzes. Eine Idee fand allgemein Anklang: Für digitale Kunst- und Kulturangebote sollte es eine Art „Netflix für Kunst“ geben.

Text: Thomas Prinzler