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Being a Unicorn – Digitale Innovationen in den Freien performativen Künsten

Wie sehen digitale Innovationen in den freien performativen Künsten aus? Dramaturgin Susanne Schuster stellt Beispiele aus den letzten Jahren vor.

Wie sehen digitale Innovationen in den freien performativen Künsten aus? Dramaturgin Susanne Schuster stellt Beispiele aus den letzten Jahren vor.
Susanne Schuster, Foto: Jeanette Dobrindt

Sie nutzt als Dramaturgin selbst digitale Technologien und leitet gemeinsam mit Julian Kamphausen das Hamburger Festival „Hauptsache Frei“, das spartenübergreifende innovative Produktionen Hamburgs zeigt. Der wichtigste Ansatz, der alle vorgestellten Ansätze verbindet: Sie sehen Digitalisierung als Teil ihres künstlerischen Prozesses und nicht als „Wurmfortsatz“, um Produktionen zeitgemäß zu verbreiten oder ihnen einen modernen Anstrich zu geben. Nur so kann Kunst abbilden, wie tiefgreifend Algorithmen heute in unsere Lebensrealität eingreifen, wobei das Machtgefälle zwischen wenigen großen Digitalkonzernen und der Bevölkerung immer größer wird.

Video: Bollemedia TV- und Videoproduktion

Was heißt das für die künstlerische Praxis? Es gibt unzählige Ansätze und viele freie Gruppen in den performativen Künsten, die sich mit diesen Themen auf der Bühne auseinandersetzen, beispielsweise Prinzip Gonzo, Turbo Pascal oder Invisible Playground. Sie adaptieren digitale Erzählstrategien für die Bühne und binden dabei das Publikum in einem interaktiven Prozess mit ein. Dadurch wird jede Vorstellung zum unvorhersehbaren Prozess. Die Künstler*innen geben dabei „nur“ den Rahmen vor.

Folgende Beispiele für digitale Strategien in den performativen Künsten sollten das nochmal verdeutlichen:

Rimini Protokoll „Staat 1 –  Top Secret International“

Das Publikum schlüpft in Rollen wie Journalist*in, Spion*in, Whistleblower*in und bewegt sich, durch einen von der Theatergruppe entwickelten Algorithmus geleitet, zwischen normalen Ausstellungsbesucher*innen.

Teaser zu „Staat 1“ auf Vimeo

Interrobang „To Like or Not to Like“

Mit Fotos und persönlichen Angaben des Publikums entsteht jeden Abend eine neue Datensammlung, die mit einer selbst entwickelten Software visualisiert wird. Die Zuschauer*innen erleben, wie viel schon dieses „Little Big Data“ über sie preisgibt.

Projekt auf Vimeo

Costa Compagnie „Ok, Google“

Fünf Performer*innen bespielen die Bühne gemeinsam mit einer künstlichen Intelligenz in Form eines „Google Home“-Gerätes. Mit diesem virtuellen aber gleichzeitig materiellen Mitspieler treten die Performer*innen in einen Dialog über künstliche Intelligenz.

Teaser zu „Ok, Google“ auf Vimeo

OutOfTheBox (Susanne Schuster und Ricardo Gehn) „lostinalgorithm“

Hier handelt es sich um eine reine Onlineplattform, auf der das Publikum Algorithmus-basierte Anleitungen für die Erkundung ihrer Umgebung erhält und ermächtigt wird, eigene Algorithmen zu gestalten. Sie versteht sich als eine Art „Anti-Google-Maps“, die nicht zielorientiert, sondern explorativ agiert.

Website zu „Lost in Algorithm“

Damit in Zukunft noch mehr solcher innovativen Formate entstehen, sieht Susanne Schuster u.a. folgende Handlungsfelder:

Es muss mehr Forschungsräume geben: Dazu gehören Orte für Aufführungen und Ausbildung, finanzielle Freiräume in Form von Stipendien, Residenzen oder bezahlten Workshops

Programmierwissen und Erfahrungen sollen für alle nutzbar sein. Eine nichtkommerzielle „Agentur für digitale Kunstproduktion“ könnte Fragen bündeln und Expert*innen suchen.

In den Kulturinstitutionen sollte es eigene Digitalisierungsstellen geben, die digitale Strategien anwenden und die Institutionen dabei unterstützen ins digitale Zeitalter zu überführen.

Nur wenn hier gehandelt wird, kann sichergestellt werden, dass die Kunst bei dem massiven gesellschaftlichen Veränderungsprozess der Digitalisierung nicht abgehängt wird und alternative Gesellschaftsentwürfe entwickeln und zeigen kann.

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