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Digitale Entwicklung im Stadtmuseum Berlin – zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Paul Spies, Direktor des Stadtmuseum Berlin, blickt auf Veränderungsprozesse im Museum und die digitale Entwicklung der Kultur im Rahmen der 4. kulturBdigital-Konferenz 2022.

Paul Spies, Direktor Stadtmuseum Berlin, hält die Keynote der kulturBdigital-Konferenz 2022
Foto: Alexander Rentsch

Ein Museum an sechs Orten – das steht hinter der Stiftung Berliner Stadtmuseum. Sie umfasst das Märkische Museum, das Ephraim-Palais, die Nikolaikirche und das Knoblauchhaus, das Museumsdorf Düppel und zuletzt dazu gekommen: die Federführung über die Ausstellung „Berlin Global“ im Humboldt Forum. Mit der Konzeption des neuen Museumsquartieres um das Marinehaus steht schon die nächste Erweiterung bevor.

Um auch in Zukunft ein Museum für die Stadt in aller Diversität zu sein, hat sich die Leitung der Stiftung Stadtmuseum Berlin schon früh auf den Weg gemacht, um die Strategie anzupassen: Ein Masterplan bis zum Jahr 2025 rückt die „Stadt in all ihrer Vielstimmigkeit“ in den Fokus und bezieht diverse Gruppen ein, um Berlins Geschichten erlebbar zu machen. Gemeinsam mit Sabine Stenzel leitet der niederländische Museumsmanager Paul Spies als Vorstand und Direktor das Stadtmuseum Berlin als eines der größten kulturgeschichtlichen Museen in Deutschland. Mit seiner Keynote „Tanker träumt davon, E-Speedboat zu sein“ eröffnete Paul Spies die 4. kulturBdigital-Konferenz mit einem Blick auf Veränderungsprozesse in seinem Haus und die digitale Entwicklung der Kultur.

„Nicht mehr der Kurator spricht und andere hören zu, sondern das Publikum spricht und wir hören zu.“

Museen überall durchlaufen derzeit einen Transformationsprozess. Das erklärt auch, dass sich in diesem Jahr das International Council of Museums (ICOM) nach langem Prozess auf eine Neufassung der Definition des Museums einigen konnte. Die Museumspraxis war schon längst weiter: Im modernen Selbstverständnis geht es schon seit geraumer Zeit nicht mehr nur um das reine Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen.

So auch im Berliner Stadtmuseum. Für den Direktor soll das Haus ein Ort sein, um mit der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Ein Demokratie stiftender und inklusiver Ort mit spürbarer Hinwendung zu seinem Standort und zu den Berliner:innen selbst. In Paul Spies‘ Worten ausgedrückt: „Nicht mehr der Kurator spricht und andere hören zu, sondern das Publikum spricht und wir hören zu.“ Geschichte existiere nicht, nur Historiker, zitiert er den britischen Experimentalkünstler und Filmemacher Peter Greenaway („History doesn‘t exist, historians do.“) und beschreibt die Aufgabe der Kurator:innen als Moderator:innen der Geschichte, die vom Wissen und den Erfahrungen des Publikums lebt.

Berlin Global, die von Spies kuratierte Ausstellung im Humboldt Forum, stellt daher das Mitmachen, die Partizipation der Besucher:innen in den Fokus. Diese können interaktiv erleben, wie die Stadt mit der Welt verbunden ist. „Die Leute werden gleich am Anfang ermutigt: Machen sie mit!“. Auch das Projekt Berlin Jetzt! des Stadtmuseums, der die Stadtgesellschaft dazu aufruft selbst „Gegenwart zu sammeln“ und dem Museum zur Verfügung zu stellen, verdeutlicht den eingeschlagenen Kurs.

Es gibt mehr zu digitalisieren als nur die Sammlung

Erst wenn alles digitalisiert ist, könne man den eigenen Anspruch an Demokratisierung erfüllen, so Paul Spies. Das Stadtmuseum müsste angesichts der vielfältigen Herausforderungen der digitalen Welt so agil wie ein E-Speedboat manövrieren – es sei aber oftmals wie ein großer Tanker, formuliert der niederländische Kunsthistoriker auch im Hinblick auf die Eigenschaft des Museums als öffentlich geförderte Landeseinrichtung, die naturgemäß vielen Regularien der öffentlichen Verwaltung zu folgen hat.

Veränderung braucht Eigenverantwortlichkeit

Es gilt die Zahl von 4,5 Millionen Digitalisaten aus den Beständen aller Häuser des Stadtmuseums zu herzustellen. Hierfür benötigt es stets aktuelle Technologie in Hard- und Software aber insbesondere auch digital versiertes und ausreichend qualifiziertes Personal, das souverän und eigenverantwortlich handelt. Dies bedeutet auch einen Wertewandel in deutschen institutionalisierten Kulturbetrieben: „Hierarchie ist in Deutschland heilig“ so Spies zum Kulturvergleich mit den Niederlanden. Leitung im Sinne von Leadership wird wichtiger als bloßes Vorgesetzt- und Verantwortlichsein – und auf der Seite der Mitarbeitenden wird souveränes und selbstwirksames Handeln zentraler werden. Um für die digitale Zukunft gerüstet und so agil wie nötig zu sein, konkurrieren Kulturbetriebe hier um entsprechendes Personal auch mit der Wirtschaft, wo die Löhne deutlich höher sind. Damit Kulturbetriebe die vielfältigen Anforderungen der digitalen Entwicklung meistern können, braucht es Umdenken und organisatorische Transformation, um Agilität zu ermöglichen.

Text: Alexander Möller

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