Im Theater knüpft unsere Fantasie aus dem Bühnengeschehen eine Geschichte, gespickt mit eigenen Assoziationen. Braucht dieser Ort der Imagination eine Technologie, die die Realität virtuell erweitert? Nico and the Navigators untersuchen, was Augmented Reality erzählerisch leisten kann – und haben Lust auf spartenübergreifende Kooperationen.
Projektsteckbrief
Förderungen | |
Projekt gefördert von… | Kulturstiftung des Bundes |
…im Förderprogramm | dive in. Programm für digitale Interaktionen (Unterprogramm von NEUSTART KULTUR) |
Akteur gefördert von | Senatsverwaltung für Kultur und Europa |
Umsetzung | |
Kooperationspartner:innen | DOCkdigital, Dock11 |
Angaben zur Projektlaufzeit | Aufführungen im Herbst 2022 |
Projekt-Website | https://navigators.de/projects/du-musst-dein-leben-rendern/ |
Projektstatus | Abgeschlossen |
Kontakt und Austausch | |
Ansprechpartner:innen | Oliver Proske |
Expertise vorhanden zu | Digitale Dramaturgie, Einsatz von AR-Software und -Brillen |
Verwendete Technik und Software | AR-Brillen, Software-System ‘AR_Loopmachine’ |
Ähnliche Projekte | |
Theaterkollektiv Out of the Box | Virtual Collaboration |
Bayreuther Festspiele | Richard Wagners „Parsifal“ 2023 mit AR-Brille (eine Kooperation mit der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft) |
Einführung
Im Stück “Du musst dein Leben rendern!” vom Theaterensemble Nico and the Navigators tanzen Performer:innen mit ihren digitalen Zwillingen: Avataren, die in Form von Gliederpuppen über AR-Brillen auf die Bühne projiziert werden. Die Bewegungen der Puppen stammen aus zuvor aufgezeichneten Bewegungsdaten der Performer:innen.
Ein Szenario, das Interpretationsräume öffnet: Das Verhältnis der Schöpferin zu ihrer Schöpfung, Spiegel- und Zerrbilder des Selbst, der Versuch, das Scheitern und seine Wiederholung. Einen Einblick in das erzählerische Potenzial der AR-Technologie gibt dieser Clip, der Szenen aus “Du musst dein Leben rendern!” zeigt.
Wenn ihr Interesse an mehr Videomaterial habt, meldet euch gerne per Mail bei uns.
Die Technik dahinter
Nico and the Navigators sind das einzige uns bekannte Projekt, das in den Darstellenden Künsten bereits mit AR-Brillen gearbeitet hat (Stand: März 2023). Der künstlerische Einsatz der Brillen in den Stücken Verrat der Bilder und Du musst dein Leben rendern! war der erste seiner Art in Europa.
Für “Du musst dein Leben rendern!” haben die Künstler:innen die AR_Loopmachine entwickelt. Die Open Source-Software setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, die für die dreidimensionale Darstellung, das Steuern der Puppenbewegungen sowie für die Synchronisation mit den AR-Brillen verantwortlich sind. Das Software-System soll auch als Basis dienen, um anderen Projekten den Einsatz von AR-Brillen im Kunst- oder Vermittlungskontext zu erleichtern. Mehr dazu weiter unten.
Was macht die AR-Erfahrung aus, welche Technik steckt dahinter und was sind die Unterschiede zu anderen Technologien der „erweiterten Realitäten“? Viele Antworten und aufschlussreiches Bildmaterial findet ihr in unserem Einführungstext.
AR in den Künsten: Ein aufwendiges Unterfangen
Beim kulturBdigital-Werkstattgespräch ‘Augmented Reality‘ im Januar 2023 berichtete Ensemblegründer Oliver Proske aus der Arbeit mit der Technologie und über Herausforderungen, die die dreijährige (!) Entwicklungsphase mit sich brachte. Seine wichtigste Botschaft: Wer im künstlerischen Kontext mit AR-Technologie arbeiten möchte, kommt um Kooperationen nicht herum.
Das leuchtet ein: Die Systeme sind in Hard- und Software hochkomplex, immer wieder bei Null anzufangen ergibt bei den knappen finanziellen und personellen Ressourcen von Kultureinrichtungen keinen Sinn.
Bei AR-Projekten wollen außerdem nicht nur Programmierer:innen bezahlt werden. Für die Einrichtung der bespielten Räume benötigt man auch ein Technikteam – und für die Besucher:innen Betreuungspersonal. Ein Erfahrungswert von Oliver Proske: Um 35 Gäste in die Nutzung der AR-Brillen einzuweisen und während der Veranstaltung für Fragen ansprechbar zu sein, hat sich ein Team aus vier Personen (eine Anleitungsperson und drei Helfer:innen) bewährt.
Kooperationen erwünscht
Gegenüber kulturBdigital erklärte Oliver, dass er das System gerne gemeinsam mit anderen Kulturakteur:innen weiterentwickeln würde. Auch ein Einsatz der vorhandenen AR-Brillen in neuen Kunst- und Vermittlungsprojekten sei theoretisch denkbar. Wenn ihr ein ernsthaftes Interesse habt, mit ihm zusammenzuarbeiten, meldet euch gerne bei uns oder bei Oliver direkt.
Erste Kollaborationen zur Erforschung und Weiterentwicklung der AR_Loopmachine gab es bereits. Bei einem mehrtägigen Workshop in der Veranstaltungsreihe Labore für Digitale Szenografie konnten Teilnehmer:innen unter der Leitung von Oliver Proske und Yui Kawaguchi (beide Nico and the Navigators) sowie Christoph Seeligmüller (DOCKdigital Lab) Potenziale und Grenzen von AR-Brillen für die künstlerische Arbeit erforschen. Eine ausführliche Dokumentation der Workshops findet ihr hier.
Im Rahmen des Förderprogramms Kultur.Gemeinschaften experimentieren auch die Dock11-Entwicklerinnen Warja Rybakova und Irina Shutova mit der Loopmachine-Software.
Text: Thorsten Baulig