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Ein Online-Spiel schafft neue Zugänge zum Theater

Passend zu einem neuen Fantasy-Singspiel entwickelte das ATZE Musiktheater im Projekt ‚Culture meets Coder‘ ein Online-Game. Was sein Team aus den Produktionsabläufen gelernt hat, erklärt Projektleiter Klaus Fermor, Projektleiter des ATZE Musiktheater.

Als Begleitmedium zu ihrem Fantasy-Singspiel ‚Albirea – Nur ein Kind kann die Welt retten‘ entwickelte das ATZE Musiktheater ein Online-Game: Kinder erschließen sich darin vor dem Theaterbesuch spielerisch die Welt der Titelheldin Albirea oder rekapitulieren Aspekte der Handlung. Wie Browsergame und Singspiel verzahnt wurden und worauf es bei der Projektabwicklung ankommt, erklärt Klaus Fermor, Projektleiter des ATZE Musiktheater.
Grafik: ATZE Musiktheater / Movact

Das Stück ‚Albirea – Nur ein Kind kann die Welt retten‘ feierte im Oktober 2019 im ATZE Musiktheater Premiere. Zur Ergänzung seiner theaterpädagogischen Maßnahmen entwickelte das Team des ATZE begleitet durch kulturBdigital ein Online-Game: Kinder erschließen sich darin vor dem Theaterbesuch spielerisch die Welt der Titelheldin Albirea oder rekapitulieren Aspekte der Handlung.

Warum war es euch wichtig, das Stück ‚Albirea‘ mit einem digitalen Vermittlungs- bzw. Kommunikationsformat zu verbinden?

Klaus Fermor: Zum ersten Mal an unserem Haus entstand in der Premierenproduktion „Albirea“ das Bühnenbild zum großen Teil digital, d.h. mittels Projektionen auf einen halbrunden Horizont.

Deshalb suchten wir auch in der Vermittlung und Bewerbung des Stückes eine neue adäquate digitale Form, mit der wir die Besucher*innen – und hier vor allem die Kinder – bereits vor ihrem Besuch auf die virtuelle Welt Albireas vorbereiten können. Dabei wollten wir ein Format entwickeln, das neugierig macht und Begeisterung schafft.

Wie sind Stück und Spiel miteinander verknüpft?

Im Online-Spiel machen wir die Besucher*innen vertraut mit der komplexen Geschichte, aber auch der Welt, in der das Stück spielt. Wie im Theaterstück so auch im Online-Spiel, ist das Mädchen Albirea die große Identifikationsfigur. Mutig begegnet sie in der Inszenierung sowohl den Dorfbewohnern als auch den drei großen Geistern. Ehrfurchtsvoll nimmt sie sich der Aufgabe an, die Quelle der Weisheit zu finden, um das friedliche Zusammenleben aller Menschen wieder zu ermöglichen.

Im Gegensatz zum Theaterstück werden die Spieler*innen in diesem Online-Spiel aufgefordert, selbst aktiv zu werden und ihrer Heldin zu helfen. Gemeinsam mit ihr suchen sie in den Welten nach den „Splittern“, die den Schlüssel zur Quelle der Weisheit bilden. Neben der Figur Albirea entsprechen auch die drei gezeigten Welten im Spiel den Orten im Theaterstück. Die Albirea-Darstellerin hat alle Texte des Spiels eingesprochen, um die Spieler*innen als virtuelle Figur mit auf eine gemeinsame Reise zu nehmen.

Foto: Jörg Metzner
Foto: Jörg Metzner

Welche alternativen Formate waren noch im Gespräch?

Die erste Idee eines digitalen Tools war ein Chatbot auf der Homepage, mit dem die Besucher*innen mit Albirea als virtuelle Identifikationsfigur interagieren sollten. Wir hatten diese Idee mit verschiedenen Expert*innen diskutiert und erste Plots dafür entwickelt. Dabei stießen wir aber schnell an Grenzen, die sich durch das begrenzte Budget und den knappen Zeithorizont ergaben. Die Entwicklung eines solchen Tools, das enorme Anforderungen an die Komplexität eines freien interaktiven Dialogs zwischen Nutzer*in und virtueller Figur stellt, schien bis zur Premiere nicht realisierbar. Das Angebot der Firma MovAct schien uns dagegen sofort nachvollziehbar und umsetzbar: Angeregt wurde ein digitales Wimmelbild mit dem der zentrale Plot des Theaterstücks anschaulich und spannend abgebildet werden und das die Figur Albirea zudem als Identifikationsfigur in den Mittelpunkt stellen sollte. Aus dieser Idee entwickelten wir schließlich gemeinsam das Online-Game.

Welche Hürden gab es dabei, Facetten des Theaterstücks in einem anderen Medium zu erzählen?

Die grundsätzliche Herausforderung bestand zunächst darin, ein für 10-12-jährige Kinder passgenaues Spiel zu entwickeln, das Onlinespiel-Neulinge nicht überfordert und für ‚Game-Profis‘ dennoch reizvoll ist. Gleichzeitig sollte das Spiel auch der für uns wichtigen Zielgruppe der Erwachsenen – also Eltern, Lehrer*innen, Erzieher*innen – Spaß bereiten und Lust auf einen Theaterbesuch machen. Im Verlauf der Spiel-Entwicklung galt es zudem das Spiel möglichst nah an der Inszenierung zu orientieren. Da wir das Spiel während des Probenprozesses der Inszenierung entwickelten, waren daher mehrfache konzeptuelle Anpassungen erforderlich. Als Klammer sehr hilfreich erwies sich, dass die ‚Heldin des Stücks‘ auch als Stimme des Spiels in Erscheinung tritt.

Wie sind Sie vorgegangen? Welche Schritte wurden vollzogen?

Zunächst entstand die grundsätzliche Spielidee und die Spielstrategie. Nach der Entscheidung, die Spiel-Welten analog zum Stück zu gestalten, wurde der Handlungsstrang entwickelt und alle Texte, also die Anleitung und die Kommentare der Heldin, geschrieben. Nach und nach wurde die Gestaltung der Figur Albirea und der drei Spielstationen – der Wald der Dorfbewohner, Dracos Reich, Meropes Welt – entworfen und immer weiter konkretisiert. Dann produzierten wir die Tonaufnahmen aller Texte mit der Albirea-Darstellerin und fixierten alle Zwischentexte und Funktionen, wie Buttons und Handlungsanweisungen. Nach der Programmierung und Testläufen auf verschiedenen Web-Browsern und Endgeräten gab es mehrfache Korrekturrunden, bevor das Spiel veröffentlicht werden konnte.

Was waren die größten Hürden bei der Projektgestaltung?

Nach Festlegung der Spielidee hatten wir den Abstimmungsbedarf zwischen der externen Agentur, verantwortlich für die illustrative Gestaltung und Programmierung, sowie unseren beteiligten Mitarbeiter*innen, die das Gesamtkonzept und das Storyboard lieferten, zunächst unterschätzt. Alle Fäden kontinuierlich zusammen zu führen und alle gedanklichen, kommunikativen und konstruktiven Ebenen effektiv zu organisieren, war bei diesem Pilotprojekt ein Lernprozess, der für die Zukunft wichtige Einsichten gebracht hat.

Was würdest du anderen Kulturinstitutionen raten, die ihre analoge Bildungs- und Vermittlungsarbeit in den digitalen Raum erweitern wollen?

Bei aller erforderlichen Kreativität sollte zu Beginn größtes Augenmerk auf die klare Verteilung der Aufgaben zwischen Spielentwicklung, Storyboard, Gestaltung und Programmierung gelegt werden. Regelmäßige Jour-Fixe mit allen Beteiligten, die zu detaillierter Abstimmung der jeweils erforderlichen Schritte führen, sind unerlässlich. Eine Projektleitung zur Koordination der Schnittstellen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche ist absolut zu empfehlen. Dazu gehört auch ein realistischer Zeitplan mit Festlegung von ‚Meilensteinen‘ und Freigabe-Terminen.

Wie tragt ihr das Spiel an eure unterschiedlichen Zielgruppen – Kinder bzw. Multiplikatoren wie Eltern und Lehrer*innen – heran?

Zur Veröffentlichung des Online-Spiels auf der Theater-Homepage wurde im Familien- und Grundschul-Newsletter hingewiesen. Auf den Facebook- und Instagram-Seiten haben wir das Spiel publik gemacht und zum Mitspielen eingeladen. Im ATZE-Spielplanflyer, in der theaterpädagogischen Begleitmappe sowie auf der Aktuell-Seite der Homepage finden sich Hinweise, die zum Mitmachen animieren. Für das Theaterfoyer wurden zudem ein Abreiß-Block mit Ausmalbildern und ein Stundenplan eingerichtet, die aus den Grafiken des Online-Spiels generiert wurden. Dazu können alle Spieler*innen des Online-Games nach der Lösung der Aufgabe auch online die Ausmalbilder, ein Albirea-Wallpaper oder den Stundenplan herunterladen. Dies trägt zu weiterer Verbreitung des Spiels und damit zur Werbung für das Theaterstück bei.

Welche weiteren Schritte sind mit Blick auf digitale Kommunikations- und Vermittlungsangebote des ATZE geplant?

Bereits in der Antrags- und Konzeptphase war das digitale Tool als Ergänzung der bereits vorhandenen klassischen Werbestrategien wie Print, Website, Social Media und sonstigen Öffentlichkeitsarbeit gedacht. Interessierten Pädagog*innen bietet das Spiel eine moderne Kommunikationsform des Informierens und Interagierens im Lehrer*innen- und Klassenzimmer. Vor allem spricht es Kinder direkt an. Während sich die ‚klassische Werbung‘ weitgehend an die Entscheidungsträger wie Eltern und Lehrer*innen richtet, ermöglicht das geschaffene digitale Tool Kindern einen unmittelbaren Zugang zum Theater, weckt Interesse an einem Theaterbesuch und ermöglicht eine aktive Partizipation. Die Produktion des Albirea-Spiels hat unseren Blick für die digitalen Möglichkeiten der Kulturvermittlung stark geschärft und neue Horizonte eröffnet.

Die Fragen stellte: Silvia Faulstich

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