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Veränderungsmotor oder Strohfeuer? Das Prinzip Lab im Kulturbereich (in German)

This text is available only in German. Translations of selected articles and reports will be published in the following months.

Passt das Lab-Format zum Kulturbereich? Wie sehen Orte für Lernen, Austausch und Innovation in Kulturinstitutionen aus? Und wie vermeidet man die Übernahme von impliziten Strukturen, aber auch das komplette Chaos?

Über diese Fragen diskutierten wir bei unserer 3. kulturBdigital-Konferenz zur digitalen Entwicklung des Kulturbereichs mit drei Lab-Beispielen aus Bibliothek, Museum und Theater. Die Ergebnisse gibt es hier zum Nachlesen und Nachschauen.

Video: Technologiestiftung Berlin / Movact

“The people formerly known as the audience…” – Co-Kreation am Theater

Katja Grawinkel-Claassen, Dramaturgie & Audience Development, FFT Düsseldorf

Vier Tage zum Thema Theater und Games mit einer größtmöglichen Offenheit – das war die Aufgabe, die sich die Organisator:innen vom Produktionshaus FFT in Düsseldorf im Rahmen des Symposiums „Game on Stage“ gestellt haben. Offene Laborgruppen widmeten sich dabei Themen wie Partizipation, kulturelle Bildung mit spielerischen Mitteln, Mixed Reality und Open-Source-Lösungen für das Game-Theater. Dabei geht es vor allem um den Prozess von Austausch und Entwicklung, als um konkrete Ergebnisse. Die Dramaturgin Katja Grawinkel-Claassen betont gleich zu Beginn die guten Einsatzmöglichkeiten von Lab-Formaten im Theater.

Video: Sandra Grutza

Eine zentrale Herausforderung der Lab-Arbeit im Kulturbereich sei es, sich Regeln in offenen Prozessen zu schaffen, da Offenheit nicht mit der Übernahme von impliziten Strukturen und Diskriminierungen verwechselt werden dürfe. Oft sei die Wahrnehmung als Theater dabei eher hinderlich, da sie falsche Assoziationen wecke und in bereits vorhandenen Kategorien gedacht werde. So lautet eine weitere Herausforderung, das Theater zu überschreiben, räumliche Vorstellungen aufzubrechen und es als Labor neu zu denken.

Aber wie sehr muss sich das Theater dafür verändern? Proben können beispielsweise zu Beta-Tests unter Einbindung des Publikums werden: „Das Publikum ist an dieser Stelle nicht mehr nur als Zuschauer:innen gefragt, sondern als Expert:innen einer Erfahrung, als Co-Kreateur:innen (…), als eine wichtige Größe im Prozess“, erklärt Katja Grawinkel-Claassen.

Durch die Teilhabe der Öffentlichkeit – „the people formerly known as the audience“ – verlieren traditionelle Vorführungen jedoch an Bedeutung und ein wichtiges Theaterprinzip wird auf den Kopf gestellt. Hierdurch verändert sich das Verhältnis von Proben, Premiere und Touring.

In die digitale Offensive geht das FFT Düsseldorf derzeit gemeinsam mit der Deutschen Oper am Rhein in „Das Digitale Foyer“.

Gekommen um zu bleiben

Dr. Jana Hoffmann, Forschungsbereichsleitung, Museum für Naturkunde Berlin

Das Applikationslabor für digitale Medien „Mediasphere for Nature“ erfüllt beim Berliner Museum für Naturkunde die Aufgabe eines Innovationsmotors. Das hat so gut funktioniert, dass das Lab nach drei Jahren des Ausprobierens 2020 zu einer festen Einrichtung des Museums wurde. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, wie es die Projektleiterin Dr. Jana Hoffmann formuliert. Die Effekte der Lab-Arbeit seien vor allem in drei Bereichen sichtbar: neue Perspektiven, neue Partnerschaften und Ko-Produktion.

Video: Museum für Naturkunde Berlin

Durch die Lab-Projekte konnte die Nutzer:innenperspektive in die digitale Aufbereitung der Sammlung eingebracht werden: Wie müssen die Inhalte aufbereitet werden? Wo braucht es Schlagworte oder Storytelling-Ansätze, um digitale Formate attraktiv zu machen?

Auf dem Weg zum offenen und integrativen Museum kommt dem Austausch mit externen Partner:innen eine besondere Bedeutung zu. In verschiedenen Formaten wie MeetUps, Brunches und Aktionen in sozialen Netzwerken entwickelte sich über den Zeitraum von drei Jahren eine lebhafte Partnercommunity mit Fokus auf Kultur- und Kreativschaffende.

Ergebnis ist nicht nur eine stärkere Verankerung des Museums in der Stadt, sondern auch digitale Co-Kreationen wie die „Animal Beat Box“, die aus einem Coding Da Vinci-Hackathon hervorgegangen ist, oder die VR-Anwendung „Inside Tumucumaque“, die zeigt wie ein Frosch im Amazonas seine Umgebung wahrnimmt.

Im nächsten Schritt soll das Applikationslabor „Mediasphere for Nature“ als Transfermodell auch anderen Museen mit Interesse an Lab-Formaten im Kulturbereich zugänglich gemacht werden.

SBB-Lab: Experimente mit Kulturdaten

Clemens Neudecker, Referent für Forschung in der Generaldirektion der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

„If you build it, will they come“ – so überschrieb Clemens Neudecker seine Präsentation, die die Geschichte der „GLAM Labs“ bis hin zu den ersten Anfängen an der New York Public Library zurückverfolgt. Die Abkürzung GLAM steht für „Galleries, Libraries, Archives and Museums“. Dahinter steckt eine 30 Länder umspannende Community von Freiwilligen, die den digitalen Wandel in Kultureinrichtungen und Archiven vorantreiben will. Das Prnizip Lab ist dabei ein Format, das für den Kulturbereich ausgelotet wird.

Nach dem Vorbild des KB-Labs der Nationalbibliothek „Koninklijke Bibliotheek“ in den Niederlanden entstand an der Staatsbibliothek zu Berlin das SBB-Lab. Gemäß den Lab-Grundsätzen „We’re open”, “We experiment”, “We connect” und “We learn” werden dort freizugängliche Datensätze und Demo-Anwendungen wie ein „Benimm dich Bot“ zur Verfügung gestellt.

Veranstaltungen und die Nennung von Ansprechpartner:innen sorgen für Vernetzung und Feedbackkanäle. Bisher wurden der jährliche Hackathon und die Betreuung des SBB-Labs über das Engagement von Freiwilligen und externe Mittel ermöglicht. Langfristig stellt sich aber die Frage nach einer Verstetigung, möglicherweise als SPK-Lab im Rahmen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Bei dieser gewünschten und nötigen institutionellen Anbindung darf aber der Lab-Charakter nicht verloren gehen. „Der partizipative Ansatz, das voneinander Lernen und auch das Scheitern sind wichtige Bestandteile eines Labs“, sagt Clemens Neudecker.

Man müsse sich immer wieder kritisch fragen: Wer gibt die Ziele vor? Wie bringt man die richtigen Laborant:innen zusammen? Und sind die Institutionen wirklich schon bereit, die alleinige Kontrolle über ihre Daten abzugeben?

Text: Franziska Walser, Ergänzung: Lara Schulte

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